Dienstag, 29. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

2. Gefahr für IBMs Produktlinie (2)
Ein Trend, der sich - folgt man den Gerüchten - zu bestätigen scheint. So will Phulip D. Estridge, Präsident von IBMs PC-Division, bereits eine Wunschliste jener Produkte angefertigt haben, die er gerne unter seine Fittiche nehmen möchte: die Bürocomputer /34, /36 und /38 (zusammen über 90.000 Installationen weltweit) sind ebenso dabei wie die Minicomputer der Serie /1, die als Zusatz-Board gar direkt in den Personal Computer eingebaut werden sollen. Selbst die kleinen und mittelgroßen Mainframes der erfolgreichen Prozessorfamilie 4300, die IBM-intern neuerdings als Superminis bezeichnet werden, sind betroffen.
Die meisten dieser Rechnertypen wurden bislang exklusiv von IBMs eigenem Vertrieb vermarktet. Nun sollen sie - den Wünschen des PC-Präsidenten und vieler anderen IBM-Oberen zufolge - auch von Dritten, den autorisierten Händlern, Dealern, Agenten, Software- und Systemhäusern angeboten werden können. Als hochwertige Arbeitsplatzcomputer, die leicht zu bedienen sind, ähneln sie bereits heute mehr den Personal Computern als klassischen Mainframes.

Montag, 28. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

2. Gefahr für IBMs Produktlinie
Gerade wegen dieser enormen Erfolge, die IBM anstrebt, steht der Marktführer nach Meinung von ADV/Orga-Chef Meyer aber auch vor dem "wohl größten Wandlungsprozess in seiner Geschichte". Ihn muss der Computergigant in den kommenden Jahren bewältigen. "Die gesamte Produktlinie ist durch den Personal Computer infrage gestellt."
In der Tat - IBMs vielfältige Produktlinien,
die sich in den sechziger und siebziger jahren zwischen den beiden heutigen Extremen Personal Computer und Größtcomputer aufgebaut haben,
die oftmals miteinander konkurrieren, ineinander verschachtelt sind oder einander ergänzen,
sind in Gefahr von der Entwicklung völlig überrollt zu werden.
"IBMs größte Herausforderung besteht darin, dies zu verhindern", meint Meyer. So muss der Marktführer allein im Produktbereich Bürosysteme "mit sechs untereinander inkompatiblen Produkten fertig werden", berichtet das Wirtschaftsmagazin Business Week. (16)
"Immer mehr Computer am unteren Ende der Leistungsskala werden in der Welt der Personal Computer aufgehen", prophezeit Benno Hilmer, geschäftsführender Gesellschafter des Mönchengladbacher Softwarehauses Holland Automation International, "bis am Schluss nur noch Mainframes und Personal Computer übrigbleiben."

Sonntag, 27. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (6)
"Dies ist der Beginn einer völlig neuen Generation von Personal Computern", kommentierte der Marktforscher Norm DeWitt von Dataquest die Ankündigung dieses neuen PCs, der auf dem brandneuen Mikroprozessor Intel 80286 basiert. "Der AT schickt sich an, den Markt für Mehrbenutzersysteme zu dominieren." Nach Meinung von Insidern liegt er 20 bis 40 Prozent unter dem Preis vergleichbarer Multiuser-PCs. Unter dem Namen "Popcorn" war der 32-Bit-Mikro bereits seit einigen Monaten Gegenstand heftigster Spekulationen. Doch kaum jemand hatte mit einem derart aggressiven Pricing gerechnet: Der Super-PC kostet in der Minimalkonfiguration (256 K Hauptspeicher, 1,2 Mb. Floppy-Laufwerke/5 Zoll) 3.995 Dollar. für 5.795 Dollar bekommt man 512 K Hauptspeicher und eine Winchester-Platte mit 20 MB. Insgesamt lässt sich der Hauptspeicher auf drei Megabyte und der Plattenspeicher auf 40 Megabyte ausbauen. Der SNA-fähige AT kann als Leitstation 72 PCs in einem neuen PC-Network steuern. Als Multiuser-System ist er in der Lage, bequem drei Benutzern zu dienen. Die Marktforscher von Dataquest Inc. glauben, dass IBM bereits 1985 rund 22 Prozent des Marktes für Muliuser-Systeme (1,8 Milliarden Dollar) behaupten werde. Dataquest-Analyst Jim Reynolds: "Ich erwarte, dass 50 Prozent der Firmen, die Multiuser-Systeme herstellen, entweder aus dem Markt verschwinden werden oder sich mit anderen Herstellern innerhalb der kommenden zwei Jahre zusammentun". Bereits 1988 werde dieser Markt zehn Milliarden Dollar erreichen.
Angesichts solcher Aussichten überschlagen sich die Marktforscher bei ihren optimistischen Prognosen für IBM. Ulric Weil, Analyst bei Morgan Stanley Guaranty, glaubt, dass IBM bereits 1984 rund sechs Prozent ihres Umsatzes mit ihrer PC-Familie machen wird. (14) Andere Insider behaupten, dass Big Blue 1985 rund 50 Prozent Weltmarktanteile halten werde. (15)

Mittwoch, 23. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Die Pcialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (5)
Mit ihrer Strategie sucht IBM die totale Marktabdeckung. Da gibt es den PC für daheim (PCjr, in den USA im November 1983 angekündigt) und für unterwegs (PC Portable, Februar 1984). Im Büro wartet eine ganze Phalanx von Personal Computer auf den Benutzer. Da ist der klassische PC (August 1981) und sein größerer Bruder PC/XT (März 1983). Sie sind die derzeit noch populärsten PCs, die vor allem auf den spezifischen Bedürfnisse einzelner Benutzer zugeschnitten sind. Und da ist der 3270-PC (Oktober 1983), der hervorragend geeignet ist, um mit dem Großrechner zu kommunizieren. Schließlich steht da noch er XT/370 (Oktober 1983), ein Arbeitsplatzcomputer für Programmierer, auf den Software vom Großrechner heruntergeladen werden kann, um diese dann vor Ort zu pflegen, zu warten oder gar weiterzuentwickeln. Schon sind weitere PCs im Abnarsch. So verkündete IBM im August 1984 einen neuen Personal Computer PC/AT (Advanced Technology) an, der als Mehrbenutzersystem einsetzbar ist.

Dienstag, 22. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (4)
Für 1984 soll IBM bei seinen PC-Lieferanten Komponenten für rund zwei Millionen Perrsonal Compuzer bestellt haben, die im Orwell-Jahr ausgeliefert werden sollen. Ende 1984 wird bereits alle sieben Sekunden ein PC die Produktion verlassen.
Seit März 1984 stellt der Riese die Intelligenz der Rechenzwerge, die Mikroprozessoren, weitgehend selbst her. Bislang hatte er das Herzstück seiner am meistern verkauften PCs, die auf dem 1979 erstmals vorgestellten Intel 8088 basieren, bei dem kalifornischen Chipproduzenten Intel eingekauft, an dem er seit 1983 mit inzwischen nahezu 20 Prozent beteiligt ist. Damit machte sich der Gigant unabhängig von dem durch den PC-Boom völlig überhitzten Halbleitermarkt.
Schon gilt der Gigant als der Hersteller, der zu den niedrigsten Kosten produziert. Dabei ist das Rationalisierungspotential noch gar nicht ausgereizt. So lassen sich die 200 Chips, die derzeit für den Bau eines PCs notwendig sind, nach Meinung der Marktforschungsfirma Dataquest bei Einsatz modernster Technologien auf 20 Stück reduzieren. (13)

Donnerstag, 17. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (Teil 4)
Innerhalb kürzester Zeit holte sie sich 26 Prozent Marktanteile, und der Erfolg reißt alle mit. "Der PC hat die gesamte Firma wiederbelebt", meint der Wall-Street-Analyst Stephen T. McClellan von Salomon Brothers. Ende 1984 wird IBMs Marktanteil bereits bei 38 Prozent liegen, prophezeien die Marktforscher von Future Computing. (8) Michael S. Preston, Branchenbeobachter für den Börsenmakler L.F. Rothschild, Unterberg, Towbin: "Die größte Überraschung war, wie schnell und in welchem Ausmaß IBM zum dominierenden Faktor in dieser Branche wurde." (9) Sie besitzt mittlerweile Produktionskapazitäten in Boca Raton, Florida, und Greenock, Schottland, die fürf einen monatlichen Output von mindestens 100.000 PCs ausgelegt sind. (10) "Alle 45 Sekunden entsteht ein neuer Computer", erläutert der IBMer Daniel H. White, der die Produktionsstätten aufbaute. (11) Schon will IBM ihre Fertigungskapazitäten 1984 ververfachen und stößt dabei an Steuergrenzen: Ein in Boca Raton geplante Expansion der Produktionsfläche um zehn Prozent wurde im Januar 1984 zurückgenommen, weil der Staat Florida dies als Anlass nahm, auf der Basis der international umstrittenen amerikanischen "Unitary Tax" Extrasteuern für diesen profitablen Bereich von dem Multi zu verlangen.

Mittwoch, 16. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (3)
"Der Manager sitzt an seinem Personal Computer und beschäftigt si8ch mit ihm. Doch bald darauf erkennt er, dass er den Zentralcomputer anwählen muss. Plötzlich suchen gleich ihm 300 Manager über ihren Personal Computer Kontakt zu den Großcomputer. Das Ergebnis: die Firma muss mehr zentrale Rechnerkapazität kaufen", erläutert Frank Gens, Marktforscher der Bostoner Yankee Group, die Prinzipien, nach denen sicv PC und Mainframe gegenseitig hochschaukeln. (2) Lewis Branscomb, Chefwissenschaftler der IBM, meint: "Unsere großen Kunden stellen fest, dass sich der Verkauf von Personal Computern in derselben Größenordnung vollzieht wie die Nachfrage nach zentraler Speicher- und Rechenkapazität, nämlich um 40 bis 60 Prozent." (3)
Ein phantastisches Geschäft für IBM, die 1982 rund 14,5 Milliarden Dollar (4) in ihren Maibframe-Park (Großrechner, Peripherie und Software) umsetzte und in der zweiten Hälfte der achtziger Dekade mehr als zehn Milliarden Dollar aus dem Geschäft mit dem Personal Computer herausholen will. (5) Das würde bereits IBMs Großrechner-Umsatz des Jahres 1983 entsprechen.
Allein 1983 hat IBM nach Angaben von Marktforschungsunternehmen mehr als eine halbe Million ihrer erst im August 1981 angekündigten Personal Computer ausgeliefert. Sie wird 1984 rund fünf Milliarden Dollar Umsazu (6) mit dem kleinen Tausendsassa machen, dem sie zu weltweiter Akzeptanz verhalf. Meint David Crocket: "Erst IBMs Einstieg in den Markt für professionelle Personal Computer hat den verwirrten Benutzern die notwendige Sicherheit gegeben."

Dienstag, 15. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (2)
Schon befindet sich die gesamte Computerindustrie in einem radikalen Umbruch. Erkenntnisse des amerikanischen Marktforschungsunternehmens IDC zufolge, rekrutierten sich 1975 die EDV-Verkäufe zu rund 80 Prozent aus dem Großcomputergeschäft. Vor allem durch den Vormarsch leistungsstarker Minicomputer sank bis 1980 dieser Anteil bei absolut wachsendem Markt auf 60 Prozent. Bis 1985 sollen die Mainframes nur noch zu 30 Prozent am Gesamtumsatz der Branche partizipieren. Gleichzeitig wird der Anteil der Mikros von 7,5 auf 43 Prozent wachsen.
David Crocket, Präsident des Marktforschungsunternehmens Dataquest, bestätigt mit seinen Analysen den Trend. Er glaubt, das 1987 das PC-Geschäft mit 51,9 Milliarden Dollar der größte Umsatzbringer im Computermarkt sein wird. Und wie kaum ein anderer will IBM an diesem Supergeschäft mit den PCs teilhaben, das gleichzeitig aber auch ihren Umsatz mit Großrechnern sichern soll.

Montag, 14. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen



1. Großmacht im Aufbruch (1)
In verschwiegener Runde offenbarte ein hochkarätiger IBM-Stratege einer kleinen Schar von linientreuen Vertriebsbeauftragten die Produktstrategie des Computergiganten in den späten achtziger Jahren. "Wir werden nur noch zwei Rechnerlinien haben: Großcomputer und Personal Computer. Alles andere verschwindt."
Friedrich August Meyer, Chef und Gründer des Wilhelmshavener Softwarehauses ADV/ORGA AG, bestätigt: "Diese Entwicklung ist schon jetzt klar und deutlich. Sie wird grausame Auswirkungen auf viele Hersteller haben. Dabei ist dies keineswegs ein revolutionärer, sondern ein evolutionärer Prozess, bei dem allerdings schon ein einziger strategischer Fehler verheerende Folgen für den Anbieter haben kann."
Der britische Wissenschaftler Martin Healey, Professor am University College in Cardiff, Wales, meint gar, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre der Microcomputer die Minicomputer ersetzen und "das derzeitige Mainframe-Konzept völlig zerstören wird". Nur noch wenige Hersteller von Großcomputern (Mainframes) werden überleben, die anderen werden ganz einfach verschwinden". (1)
Einer der Überlebenden heißt IBM, mit über vierzig Milliarden Dollar (1983) weit und breit der größte Computerhersteller der Welt. Für ihn bilden Personal Computer und Großrechner - der neue und der alte Multimilliardenmarkt - die ideale Symbiose, die in den achtziger Jahren das Geschäft mit den Informationstechnologien beherrschen wird. Sie sind die Basisürodukte für die Eroberung sämlicher neuen Märkte, die IBM in den achtziger Jahren betreten wird.

Sonntag, 13. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

Rücksichtslos gegen sich selbst hat der Computergigant begonnen, sein gesamtes Geschäft neu zu strukturieren. Herausgefordert durch das Eindringen des amerikanischen Telefonriesen AT&T und durch den Vormarsch der Japaner prescht IBM mit höchster Aggerssivität in neue Märkte und bricht mit überkommenen Traditionen. Strategisch höchste Bedeutung hat dabei der Personal Computer, der die großrechner-orientierte IBM-Welt gleichsam vom Kopf auf die Füße stellen soll. Mehr als 60 Prozent seiner PCs will der Marktführer in Großunternehmen absetzen.
Morgen geht's weiter

Samstag, 12. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)

3. Antitrust versus Aktienkurs (4)
Nur noch eine Unsicherheit plagt die Wall Street-Analysten: "Normalerweise verschlechtern sich die Ergebnisse und das Wachstum geht runter, wenn die Einführung einer neuen Generation von Mainframes ansteht", spekuliert Edelsson mit der Ankündigung der Sierra-Serie, die IBMs 308x-Familie ablösen wird. "Aber das ist normal", tröstet sich der Branchenkenner.
Und so steht eigentlich nichs mehr einen neuen Höhenflug der IBM-Aktie auf 150 Dollar und mehr im Wege.

Freitag, 11. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)

3. Antitrust versus Aktienkurs (3)
Cary, dritter in der direkten Nachfolge des Firmengründers Thomas J. Watson Sr., musste erleben wie der Kurs im Vergleich zum Gewinn immer weiter schrumpfte. Übertrumpfte der Börsenwert der Aktie den Gewinn in der Watson-Ära noch um den Faktor 40 bis 50, so war er jetzt nur noch zehn bis 15 mal höher. "Es wäre kaum möglich gewesen, diese Erfolge zu wiederholen. Und das hat ja auch niemand erwartet. Nichtsdestotrotz ist es enttäuschend, wenn der Wert der Aktie ausgerechnet in der Zeit sinkt, in der man selbst die Firma führt", hadert der erfolgreiche Stanford-Schüler Cary mit dem Schicksal.
Aber auch heute glauben selbst die größten Optimisten nicht, dass IBMs Kurs jemals wieder an die legendäre Watson Ära anknüpfen kann. So lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis der IBM-Aktie Mitte 1984 bei dem Faktor 11 gegenüber dem erwarteten Gewinn von 10,50 Dollar je Share. Als "absolut lächerlich" stufte der Wall-Street-Analyst Robert Kirby, Chairman von Capital Guardian Trust in Los Angeles, dieses Verhältnis ein. (3)
Doch das wird so nicht bleiben. Denn alles spricht für einen neuen Höhenflug der Aktie des profitabelsten Unternehmens der Welt. Die Gewinne steigen weiter: um rund 20 Prozent im zweioten Quartal 1984. Und die Wall-Street-Auguren, die einen Gewinnanstieg um 14 Prozent für 1984 prophezeiten, fangen an, ihre Erwartungen wieder nach oben zu schrauben. "Alle Trends sind intakt", meint Harry Edelson, Analyst bei der First Boston Corp.. "Wenn es irgendeine Überraschung gibt, dann für diejnigen, die glaubten, dass das Wachstum sich verlangsamen würde."
Dokumentation: Frank T. Cary (Bild)

Donnerstag, 10. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)


3. Antitrust versus Aktienkurs (2)
Nur im Vergleich mit sich selbst konnte IBM recht gute Ergenisse ausweisen. So meinte denn auch John Opel vor den Aktionären in Kansas City die Erfolge des Computergiganten und damit seines Vorgängers Fank T. Cary, 62, einmal deutlich herausstreichen zu müssen: "Auf der Basis der klassischen Bewertung von Unternehmen war die wirtschaftliche Leistung der IBM in den siebziger Jahren in jeder Beziehung beeindruckend. Wir verdreifachten unsere Umsätze. Wir verdreifachten unser Gewinne, und wir schafften dies mit nur 30 Prozent mehr Personal." - An der Börse wurden diese Erfolge indes nicht honoriert. Als der Computerriese im Mai 1979 zum vorläufig letzten Mal einen Aktiensplit vollzog, sackte der Kurs (umgerechnet?*) weit unter die 100-Dollar-Marke - zum ersten Mal seit den dreißiger Jahren und erst 1983 gelang ihm der Sprung über diese magische Grenze.
Es fehlte an der Wall Street das Vertrauen in ein Unternehmen, das durch Antitrust auf Gedeih und Verderb von dem Willen der US-Regierung abhämngig war: "Der Aktienkurs blieb konstant, während das Kurs-Gewinn-Verhältnis sich verschlechterte. Wir sind über den Verlauf der Ereignisse genau so enttäuscht wie jeder andere auch. Wir glauben, unsere Aktie ist unterbewertet", klagte Großverdiener John Opel (Jahreseinkommen rund 1,3 Millionen Dollar) sein Leid. Und auch Frank T. Cary, der in den antitrustverfahrenen sienbziger Jahren den kraftstrotzenden Koloss als Chief Executive Officer (1973 bis 1981) zügeln musste, meinte bei seinem Abschied, dass seine größte Enttäuschung die Entwicklung an der Börse war.

* Dass der Kurs einer Aktie beim Split sinkt, sollte mir 1984 eigentlich bekannt gewesen sein. Muss diese Behauptung dennoch auf ihre Plausibilität überprüfen. RV
In obiger Grafik dokumentierte DER SPIEGEL 1973 die Marktanteile im Computernarkt. Sie ist auch ein Beispiel dafür, wie vor 40 Jahren Magazin-Stories optisch angereichert wurden - mit maximal einer Zusatzfarbe.

Mittwoch, 9. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)

3. Antitrust versus Aktienkurs (1)
Mit einem atemberaubenden Tempo peil Big Blue beim Umsatz die 100 Milliarden Dollar Grenze an. "Wir werden in den achtziger Jahren um durchschnittlich 20 Prozent wachsen", hatte John Roberts Opel, 58, Chairman des Technologie-Riesen im August 1981 bei der Ankündigung des Personal Computers vorhergesagt. Erfüllt sich diese Prognose, wird IBM 1990 knapp 150 Milliarden Dollar umsetzen.
Seit Ende der sienziger Jahre versucht der Computerriese, sich mit aller Macht von einer Vergangenheit zu verabschieden, die über ein Jahrzehnt hinweg von dem 1969 initiierten Antitrust-Verfahren bestimmt war. "Das hing 13 Jahre lang wie eine finstere Wolke über uns", erinnert sich IBMs früherer Chairman Frank T. Cary, Opels Vorgänger. (1)
Am 8, Januar 1982 war der unglückselige Prozess endgültig niedergeschlagen worden, nachdem sich bereits 1978 angedeutet hatte, dass die bestehenden Antitrust-Vorschriften mehr und mehr an Gültigkeit verloren. "Ohne Verdienste", hatte William F. Baxter, Vertreter der Anklage und von Präsident Ronald Reagan einberufener Chef der US-Kartellbehörde das "Methusalem"-Verfahren abgekanzelt.
Nur um durchschnittlich 13 Prozent waren in den siebziger Jahren die Umsätze des Giganten gestiegen. Das war deutlich unterhalb des Branchendurchschnitts von rund 20 Prozent. IBMs Weltmarktanteil sank denn auch von 60 Prozent im Jahre 1967 auf knapp 40 Prozent 1980. "Unser Aktienpreis war eine Enttäuschung", klagte noch im Frühjahr 1981 John Robers Opel vor 1.154 Aktionären in Kansas City über die Kursentwicklung des Giganten in der 70er Dekade.
Während Newcomer wie Digital Equipment, Hewlett-Packard, Nixdorf, Wang oder Tandem das große Rennen um die Zukunftsmärkte machten, konnte der blaue Riese nicht mithalten. DEC oder Wang wachsen zum Beispiel jährlich um 35 Prozent. Sie schütteten zwar keine Gewinne an die Aktionäre aus, dennoch waren sie als Aktie äußerst begehrt. Dadurch das der Profit in der Firma blieb, kletterte der Börsenkurs dieser Firma unentwegt nach oben.

Dienstag, 8. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (4)
Es ist durchaus möglich, dass ein Rechner, der ursprünglich für drei oder fünf Jahre geleast wurde (und zwar Full-Pay-Out), am Ende sechs oder acht Jahre bei ein und demselben Kunden installiert bleibt, weil die Maschine permanent aufgerüstet wurde. In diesem Zeitrahmen kauft der Kunde nach Ablauf des Leasingvertrages seine flexibel aufrüstbare Maschine zum Markt- oder Buchwert.
Das Ergebnis einer solchen Geschäftspolitik: Der Gebrauchtmaschinenmarkt, der bislang davon lebte, dass ein Rechner des Kunden A an einen Kunden B weiterveräußert wurde, wird immer kleiner. Die Geschäfte finden nur noch bei ein und demselben Kunden statt. Und taucht die Frage auf: Durch welchen Marktmechanismus werden dann die Marktpreise von Gebrauchtmaschinen festgelegt? Vermutet Schröder: "Je mehr Macht IBM über den Gebrauchtmaschinenmarkt besitzt, desto höher sind die Preise. Dies kann nicht im Sinne der Anwender sein, die gerade hier nach preiswerten Alternativen suchen. Andererseits könnte dies der PCM-Industrie Auftrieb geben, die bislang immer gegen die preiswerten Produkte im Secondhandmarkt konkurrieren musste."
Welche Auswirkungen dies langfristig haben wird, ist heute noch unklar. Keiner weiß, wie die Leasingfimen dieser Strategie begegnen werden. Keiner weiß, wie letztlich der Kunde reagiert. Und völlige Ungewissheit herrschte Mitte 1984 noch darüber, welche Auswirklungen die zu diesem Zeitpunkt bevorstehende Ankündigung der unter dem Codenamen "Sierra" gehandelten neuen Großrechnerserie haben wird. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich erst mit dieser neuen Generation die Leasingstrategie voll entfalten wird.
Doch eins ist sicher: IBM hat einen enormen Handlungsspielraum zurückerobert, den sie braucht, um ihre ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen und die depressiven Antitrustjahre zu überwinden.

Montag, 7. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (3)
In der Tat - IBM weitet ihre Herrschaftsbasis immer weiter aus, und sie überwindet gleichzeitig Rechtsvorschriften, die ihr genau diese Expansion verbieten. Denn jede verkaufte Maschine darf IBM aufgrund einer 1956 in ihrem Antitrustvergleich mit der amerikanischen Regierung getroffenen Vereinbarung nur unter sehr erschwerten Umständen zurückerwerben (zum Beispiel Inzahlungnahme). Mit Leasing ist dieses Problem gelöst. Zwar kann IBM auch beim Mietgeschäft einen installierten Rechner wieder zurücknehmen, doch hier muss eine solche Mietmaschine immer als neuwertuge Anlage zum Listenpreis weitervermarktet werden. Da diese Preisbindung von Mietmaschinen von den Brokern und Leasingfirmen mit Gebrauchtrechnern permanent unterboten wurde, verlor IBM viel Geschäft bei den Anwendern, die sich über den preisgünstigen Secondhandmarkt mit Hardware versorgten.
Beim Leasing jedoch kann IBM einen Rechner nach Vertragsablauf als Gebrauchtmaschine zum Marktwert weiterveräußern. Das Ergebnis: Sie beherrscht nach und nach auch den Secondhandmarkt, der bislanbg in festen Händen von Brokern und Leasinggesellschaften war.
Noch ein Trick wäre möglich: IBM hat ihre Großrechnerhardware (308X) so konzipiert, dass sie von einem Basismodell aus auf größere Versionen aufrüstbar sind. Der Leistungsunterschied zwischen dem kleinsten und dem größten Modell erreicht dabei den Faktor 6. Der Kunde kann "im Feld", also in seinem Rechenzentrum, sein Basissystem kontinuierlich ausbauen. Und da stellt sich die Frage: Wie verhält sich nun der Leasingvertrag zur Aifrüstung, und welche Auswirkungen hat dies auf IBMs Geschäftspolitik.


Sonntag, 6. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (2)
In der guten alten Zeit der Alleinherrschaft der Mainframes war es IBM nicht bnur gelungen, ihren Traditionsmarkt zu besetzen, sondern mit Hilfe der Miete auch zu besitzen. IBM war Eigentümerin der Produktionsmittel ihrer Kunden.
Doch mit dem Aufkommen der neuen Märkte ließ sich diese Strategie nicht mehr durchhalten. IBM musste andere Wege finden, das Obereigentum über die Installationsbasis zu erlangen. Ein gutes Mittel war dabei das Softwaregeschäft.
Wenn IBM ihre Softwarewerte aktivieren würde, was sie bislang nicht tut, dann könnte man erahnen, wie stark dieses Herrschaftsinstrument bereits heute ist, mit dem sie Ende der achtziger Jahre zehn Milliarden Dollar Umsatz machen wird. Jedem Computerhersteller ist längst klar, dass heute die Software das Produktionsmittel ist und nicht die Hardware. Und Eigentümerin der strategisch wichtigsten Kundensoftware, den Systemprogrammen, ist der Lieferant IBM.
Hinzu kommt eine andere Entwicklung, deren Auswirkungen ebenfalls noch gänzlich ungewiss ist: Leasing. 1981 gründete der Gigant die IBM Credit Corporation. Ihre Dienstleistungen werden von immer mehr Kunden in Anspruch genommen. Hier hat IBM ein völlig neues Machtinstrument in der Hand, das sie wieder zum Eigentümer der Kundenhardware machen kann. Es hat dabei den erfreulichen Nebeneffekt (vielleicht ist sogar das Hauptmotiv), dass sich IBM die Kontrolle über ihre Installationen wieder voll sichern kann. "Sie besitzt dann eine doppelte Kontrolle über den Markt", warnt Ulrich Schröder, geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Leasingberatung ICC. "Neben der Herrschaft durch die Software, von der alle IBM-Anwender abhängig sind, wird sie nicht nur das Neugeschäft, sondern auch noch den Gebrauchtcomputermarkt an sich reißen, zu dem sie bislang keinen Zugang hatte."

Samstag, 5. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (1)
Unterstützt wird dieses Streben nach Marktmacht auch von einer ganz anderen Entwicklung, die in ihren Auswirkungen noch gar nicht zu übersehen ist: die Verlagerung des Umsatzes vom Mietgeschäft hin zum Verkauf. Ihr hat IBM ihr großes Liquiditätspolster zu verdanken. Sie verunsichert allerdings so manchen Anleger - wie zum Beispiel Irv Kormanoff.
Die Wende zum Verkaufsgeschäft wurde erstmals 1981 voll sichtbar. Damals übertraf der Verkaufsumsatz von 12,9 Milliarden Dollar die Mieteinnahmen (10,8 Milliarden Dollar) erstmals um 20 Prozent. Und Ende 1983 lagen zwischen dem Mietgeschäft und den Verkaufsumsätzen bereits 14 Milliarden Dollar.
Dieser Trend setzt sich weiter fort. Im ersten Quartal 1984 stiegen die Verkäufe um 38 Prozent, während die Mieteinnahmen um 26 Prozent sanken. Im zweiten Quartal 1984 hatte der Anteil der Verkäufe asm Umsatz bereits 63 Prozent erreicht, ein Jahr zuvor hatte er noch bei 56 Prozent gelegen. Und die Mieteinnahmen fielen nochmals um 27 Prozent.
Diese Entwicklung hat zur Folge, dass IBMs Anlagevermögen, in dem die Mieteinnahmen traditionell den größten Aktivposten darstellten, mit dem Umsatz nicht mehr Schritt halten kann. Nachdem es 1981 mit 30 Milliarden Dollar den Umsatz noch um knapp eine Milliarden übertroffen hatte, sinkt das Anlagevermögen immer schneller ab.
All das sind gute Gründe für Pessimisten wie Kormanoff, die in der IBM-Strategie eine Ausverkaufspolitik sehen. Sieverkennen dabei jedoch, dass sich der Marktführer seit 1980 in einem gewaltigen Wandlungsprozess befindet, aus dem er zu Beginn der neunziger Jahre als das umsatzstärkste Unternehmen der Welt hervorgehen will. Rund um das traditionelle Großcomputergeschäft entstehen ständig neue Märkte, die sich so schnell verändern, dass das langfristige Mietgeschäft sich kaum auszahlt.