Donnerstag, 1. Januar 2009

Prolog

Isaac Asimov, Zukunftsdenker und Autor zahlreicher, hochkarätiger Science-Fiction-Bücher, betätigte sich einmal mehr als »America’s Great Explainer«.
1980: »Wir schicken uns an, eine Welt zu betreten, in der Entfernungen. Soweit sie den Faktor Informationen betreffen, unwichtig werden. Und in dieser Welt wird das gesamte verfügbare Wissen nur in einem ganz bestimmten Sinne begrenzt sein, nämlich einzig und allein durch die Informationsmenge, die es auf der Welt gibt.«
So äußerte sich der Biologe in einem Interview mit der amerikanischen Zeitschrift »Output« im November 1980.
Dass diese Informationsmenge praktisch durch nicht begrenzt wird, dafür sind drei Entwicklungen verantwortlich, die auf ihrem Weg zur Vollkommenheit unser Denken revolutionieren werden.
1. Telekommunikation. Die großen, weltumspannenden, Himmel und Erde miteinander verbindenden Errungenschaften der Telekommunikation wie Satelliten und Glasfaserkabel sorgen dafür, dass Informationen überall auf der Welt in dem Augenblick verfügbar sind, in dem sie entstehen.
2. Großcomputer. Die bald mit Lichtgeschwindigkeit operierenden Großrechner werden es uns eines Tages ermöglichen, dass riesige Mengen von Informationen in Echtzeit verarbeitet werden können, das heißt also, in dem Augenblick, in dem sie entstehen.
3. Personal Computer. Jedermann erhält Zugang zu diesen Informationen über die Personal Computer (PCs), die als Endgeräte in einem globalen Netzwerk jede erwünschte Information an jedem Punkt der Erde verfügbar machen. Die Tischrechner, die derzeit einer permanenten Technologie-Revolution unterworfen sind, sind das Fenster zu einer Welt, in der alles, was ist, in Informationen umgesetzt ist. Und diese Informationen können durch den Personal Computer individuell weiterverarbeitet werden.
Wir leben in einer Welt, in deren biblischem Anfang das Wort bei Gott und Gott das Wort war, in deren Unendlichkeit alles zur Information werden kann, was war, was ist und was sein wird. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft können durch den Faktor „Information“ in ständig neue Beziehung zueinander gesetzt werden. Eine Welt entsteht, in der alles möglich ist, deren einzige Grenze unsere Phantasie ist.
Und diese Welt wird bestimmt von drei Großbuchstaben – von IBM. Sie stehen für International Business Machines. Dieses Unternehmen ist mit aller Konsequenz in das Geschäft mit der unerschöpflichen Ressource „Information“ eingestiegen und machte damit 1983 über 40 Milliarden Dollar Umsatz und 5,5 Milliarden Dollar Gewinn.
»In der gesamten Industriegeschichte lässt sich kein zweites Beispiel für eine ähnliche Spitzenstellung finden. Seit 30 Jahren verfügt die IBM über die absolute Macht. Seit 30 Jahren ist sie praktisch konkurrenzlos«, schwelgt der französische Publizist Jean-Jacques Servan-Schreiber in seinem Buch »Die totale Herausforerung« in Superlativen für dieses »berühmteste Industrieunternehmen der Welt«.
Dabei verdankt IBM ihren Welterfolg einer ebenso einfachen wie genialen Erkenntnis. „Information ist doch nicht etwas wir Mais oder Wassermelonen“, verrät John R. Opel, seit Beginn der achtziger Jahre IBMs Topmanager, das IBM-Geheimnis. Denn: „Information schafft stets den Bedarf nach mehr Informationen durch Neukalkulation, Neuinterpretation oder neue Einsicht in das Verhalten von Daten untereinander.“
Das ist in der Tat der entscheidende Unterschied. „Man kann zu dem Punkt gelangen, an welchem man einfach keine Melonen mehr sehen, geschweige denn essen kann. Aber noch etwas mehr Informationen, noch einen Blick mehr in eine Datei, noch eine Datenzuordnung mehr – das wäre verlockend.“
IBM sucht wie kein anderes Unternehmen auf der Welt das Geschäft mit dieser sich ständig erneuernden Ressource „Information“ und zwar auf allen Ebenen:
- bei der Informationsübertragung über Himmel und Erde,
- an den Informationsquellen, am Fließband (Roboter) genauso wie im Büro des Sachbearbeiters (Personal Computer)
- bei der komplexen Verarbeitung und Auswertung von Informationen durch Großrechner,
- bei der Informationsspeicherung vor Ort (Personal Computer) oder zentral (Großrechner).
Für den Computergiganten IBM ist das Geschäft mit dem Faktor Information ein perpetuum mobile, das unentwegt neue Kraft aus sich selbst schöpft.
Damit wird IBM selbst zu einem perpetuum mobile, zum ewigen Licht der Informationsverarbeitung.
Die wundersame Brotvermehrung, von der die Bibel erzählt, ist das Geschäft der IBM. Und mit all ihrer Macht sorgt sie dafür, dass sie von diesem Brot den größten Teil selbst abbekommt.
Sie bestimmt dabei die Gesetze des Marktes. Sie versteht es, jahrzehntelang abgeschottete Märkte wie zum Beispiel den staatlich regulierten Bereich der Telekommunikation zu öffnen, neue Barrieren zu errichten, alte schonungslos niederzureißen. Und all dies tut sie mit atemberaubender Geschwindigkeit, erbarmungslos, kaltschnäuzig. Die IBM ist das einzige Unternehmen in der Welt, das den Plan für eine neue Welt besitzt und die Macht, ihn zu verwirklichen. Diesen Plan verfolgt sie mit aller Konsequenz, mitunter rücksichtslos gegen sich selbst.
Nur noch die Japaner unter der Federführung ihres mächtigen Ministeriums für Industrie und Handel (MITI) besitzt einen ähnlich ehrgeizigen Plan. Der Japan AG fehlt es freilich an internationaler Macht.
Macht, jedoch noch keinen voll entwickelten Plan, hat der amerikanische Telefonriese AT&T, seit Januar 1984 endgültig IBMs stärkste amerikanische Konkurrenz auf den Weltmärkten der Informationstechnologien.
Dennoch sind beide Formationen, die Japan AG und der Telematikriese AT&T, IBMs größte Herausforderer im Weltmarkt für Informationstechnologien.
Doch Big Blue oder Mother Blue, wie die Amerikaner den Computergiganten wegen seiner Vorliebe für die Farbe Blau nennen, sorgt mit mehrgleisiger, vielschichtiger, nur schwer zu durchschauernder Strategie dafür, dass der blaue Riese in jedem Markt, den er betritt, zu den unumstößlichen Siegern gehört – sei es nun in der Telekommunikation, bei den Personal Computern, Robotern oder sonst wo.
Rigoros verteidigt IBM dabei angestammte Wachstumsmärkte wie die Großcomputerei. In brillant geführten Wendemanövern passt sie sich den Gesetzmäßigkeiten der von ihr besetzten Märkte an, verändert sie und zwingt damit ihre Mitbewerber bis an die Grenze der Selbstverleugnung mitzuhalten.
Die IBM verlangt aber nicht nur ihren Mitbewerbern alles ab, sondern auch sich selbst. Nicht zuletzt aus diesem Grund überstand sie souverän das Antitrustverfahren, das die amerikanische Regierung 1969 gegen sie anstrengte und nach 13 Jahren erfolglosem Bemühens aufgeben musste.
„Missbrauch von Marktmacht“ war IBM vorgeworfen worden. Sie habe das Computergeschäft monopolisiert, meinte das US-Justizministerium, die Preise kontrolliert. Doch nach 13 Jahren konnten die Kläger der IBM nichts nachweisen. Sie mussten ihre Absicht aufgeben, den Computerriesen in ein halbes Dutzend Einzelgesellschaften zu zerschlagen.
Befreit von den engen Fesseln des längsten Antitrust-Prozesses in der Geschichte der USA erhebt sich die Supermacht IBM nun endgültig zu einem beispiellosen Wettrüsten um die Märkte der Zukunft.
Erstmals in seiner Geschichte muss sich dabei der Computerriese allerdings gleichwertiger Konkurrenten erwehren, die ihm an Finanzkraft und Wille zur Macht ebenbürtig sind: die Japan AG und der amerikanische Telefonriese AT&T. Genau zwischen die Fronten der weltweiten Auseinandersetzung geraten mehr und mehr die Europäer.

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