Montag, 2. März 2009

I: 3.5 Ausverkauf bei Ankündigung

Mit der Ankündigung der 4300 im Januar 1979 exerzierte der Gigant zum ersten und bislang einzigen Mal eine Strategie, die ihre gesamte Durchschlagkraft aus dem Preis holte. Das Ergebnis: Der Ausverkauf einer Computerserei fand bereits zum Ankündigungszeitpunkt statt. Daran änderte auch nichts die Preiserhöhung am 28. Dezember 1979, als IBM die meisten Preise um fünf bis sieben Prozent anhob. "Mit einem Federstrich hat IBM ihren Umsatz um eine Milliarde Dollar erhöht", kommentierte der Marktforscher S.S. "Tim" Tyler von Input in Palo Alto, Kalifornien, die Preiskorrektur gegenüber Business Week. (1) Viele Insider werteten dieses "Weihnachtsgeschenk" als ein Eingeständnis der IBM für eine verfehlte Preispolitik: Am Erfolg der Strategie des Marktherrschers änderte dies grundsätzlich nichts: die Gewinnung von Neukunden.
Mit der 4300 geriet das Preisgefüge des Computermarktes völlig durcheinander. Obwohl die Maschinen erst ein Jahr später in Mengen installiert wurden, erwarteten die Anwender, dass die Mitbewerber der IBM bereits zum Ankündigungszeitpunkt ihre Preise auf das neue Niveau senkten. Die Verkaufspläne der PCM-Anbieter (Plug Compatible Manufacturer) waren nicht einmal mehr das Papier wert.
Die AS/3.5 von Itel, 1978 als Dauerrenner gegen IBMs 4341-Vorgänger /370-138 und -148 angesetzt, verkümmerte zu einem "Ein-Jahres-Produkt" (Nuccio Condulmar, damals Präsident von Itel International in London im Frühjahr 1979). Sämtliche Pläne des aggressiven Computermixers aus San Francisco waren über den Haufen geworfen. Ein Dritel der Installationen wollte Itel 1979 mit dieser von dem kalifornischen Halbleiter-Produzenten National Semiconductor gefertigten Maschine tätigen. Als Frontalschuss gegen IBM geplant, geriuet das 1978 vorgestellte Modell AS/3-5 nun zu einem Rohrkrepierer. Schlimmer noch: Itel konnte ihren Abnahmeverpflichtungen gegenüber National Semiconductor und bei den Größtrechnern gegenüber Hitachi nicht nachkommen, der Schuldenberg wuchs ins Unermessliche (1,2 Milliarden Dollar).
Zu allem lockte die IBM mit äußerst günstigen Mietkonditionen, die von keiner Bank zu schlagen waren. Wer zum Beispiel seinen Rechner über eine Leasinggesellschaft zu ähnlichen Raten finanzieren wollte, musste einen Vier-Jahres-Mietvertrag abschließen. Bei IBM bekam er für denselben Preis bereits einen Zwei-Jahres-Mietvertrag, er konnte sich also erheblich kürzer
binden.
Heute sind rund 45.000 der bis zu 1,5 Millioen Mark teuren Computersysteme installiert, davon zwei Drittel IBM 4331, die seit Herbst 1983 zur Erweiterung auf IBM 4361 anstehen.
Amerikanischen Untersuchungen zufolge waren 1982 etwa 60bis 75 Prozent der Mittelgroßen Universalcomputer vom Typ 4300 gemietet.
IBM, die ihre Mietmaschinen zu Herstellungskosten in ihrer Bilanz als Anlagevermögen ausweist, benötigte in einem bislang ungekannten Maße Kapital, das sie aus eigener Kraft nicht mehr aufbringen konnte und wollte. Immerhin war das Anlagevermögen 1979 um zwei Milliarden Dollar auf 13,7 Milliarden gestiegen.
Woher kam dieser immense Kapitalbedarf? Die Vorfinanzierung des Mietgeschäfts der IBM 4300 konnte nicht die Ursache sein. Sie befand sich 1979 noch gar nicht in der Mengenauslieferung. Was war dann der Grund? Mittelbar war die neue Rechnerserie dennoch schuld an dem großen Sprung im Anlagevermögen der IBM. Die IBM 4300 zeigte nämlich mit ihrem sensationellen Preis-/Leistungsverhältnis eine unerwartete Fernwirkung bei den Kunden der Größtrechnerserie 303X, die sich von der bevorstehenden Ankündiugung der H-Serie - so der Codename des in der Gerüchteküche bereits wärmstens empfohlenen neuen Rechners - einen ähnlichen Preissturz erhofften.
Die Kunden wollten deshalb kurzfristig über die erst im zweiten Jahr ihres Auslieferungszyklus befindlichen Rechner vom Typ 303X disponieren, die nur als Brückenköpfe in eine völlig neue Computergeneration dienten. Durch Kauf hätten sie sich langfristig an diese Maschine gebunden. Das schinen nun gefährlich. Denn wenn das Nachfolgesystem ebenfalls mit einem solchen sensationellen Preis-/Leistungsverhältnis aufwarten würde wie die 4300, dann war die 303X-Serie alsbald am Gebrauchtmaschinenmarkt nichts mehr wert. Deshalb mieteten sie (oder leasten kurzfristig) ihre Jumbos. Mit einer solchen Fernwirkung seiner erfolgreichen 4300-Serie hatte der Marktführer wohl kaum gerechnet.
"Im Rückblick wünscht sich IBM. siehätte die Preise nicht so aggressiv angelegt", meint William R. Becklean, Wall-Street-Analyst bei Bache Halsey Shields (1)
Die vorherrschende Meinung unter den Anwendern war, dass die 303X-Serie immer nur eine Interimslösung, eine Brücke, Übergangsangebpt war. Sie galt nur als Kurzfrist-Produkt. Computerfachleute behaupten sogar, dass diese Serie technologisch sich in keiner Weise von den Vorgängern (/370-158 und -168) unterschied.
Als dann 1989 die H-Serie mit dem Prozessor-Komplex 3081-D angekündigt wurde, vollzog IBM zwar endlich den gewünschten Technologiewechsel, doch dfafür wiederholte sie nicht das günstige Preis-/Leistungsverhältnis der 4300. Zudem war die 308X für den Großteil der Kunden kurzfristig nicht verfügbar. Die Bestellorder kletterten dennoch im Laufe der weiteren Ankündigungen auf 7.000. Bis Ende 1985 rechnet man mit ingesamt 8.000 Installationen weltweit. IBM hatte die gesamte Marktnachfrage auf sich konzentriert, der sie jedoch sehr zögernd nachkam. Mit gutem Grund: Die alten Mietmaschinen der Interimslösung 303X mussten erst in Kaufmaschinen umgewandelt werden.

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