Samstag, 7. März 2009

I: 3.6 Schulden statt Schuld

Zurück in das Jahr 1979. Zum ersten Mal in seiner Geschichte ging der Marktführer (Weltmarktanteil bei Universalcomputern zwischen 60 und 70 Prozent) an den öffentliuchen Kapitalmarkt und nahm eine Anleihe von einer Milliarde Dollar auf, um den Mietbedarf seiner 303X-Kunden gerecht zu werden. Die Verschuldung des Unternehmens, das einst als "Schatzkästlein" Amerikas von dem Wirtschaftsmagazin Business Week gepriesen worden war, verfüffachte sich inm dioesem Jahr von knapp 300 Millionen auf 1,6 Milliarden Dollar und hat sich seitdem nochmals verdoppelt. Gleichzeitig wuchsen innerhalb eines Jahres IBMs Investotionen in Mietmaschinen um 50 Prozent von 2,7 auf 4,2 Milliarden Dollar. Der Anteil der langfristighen Verbindlichkeiten im Vergleich zum Umsatz des Giganten stieg um 0,9 Prozent (1978) auf 9,0 Prozent (1982).
"Das ist die größte Anleihe, die seit 1970 von einem Privatunternehmen aufgenommen wurde", meinte 1979 die britische Tageszeitung "Financial Times". Bis dahin hatte IBM ihre langfristigen Kredite, die bis 1979 im Vergleich zum Eigenkapital etwa 1,3 Proztent ausmachten, stets privat bei Banken und Versicherungsgesellschaften aufgenommen.
Eine überaschende Politik für ein Unternehmen, das täglich damit rechnen musste, dass es in mehrere Einzelgesellscjhaften zerschlagen werden kann.
IBM, hätte sie dies wirklich beführchtet, wäre wohl kaum auf den Kapitalmarkt gegangen, um dort Anleihen zu zeichnen, deren Laufzeit bis in das nächste Jahrtausen reichten. Zudem hätte sie, anstatt durch äußerst attraktive Mieten ihren Kapitalbedarf aufzublähen, eher die Verkaufspolitik favorisiert.
Damals - so besagen hartnäckige Gerüchte - habe sich die IBM den gewaltigen Preissturz beim Technologiewechsel von den Vorgängermodellen der /370-Generation zur Computerserie 4300 von der amerikanischen Regierung absegnen lassen, um zu verhindern, dass die aggressive Marketing-Strategie der neuen Rechner Gegenstand des Antitrust-Verfahren wird. Die Regierung in den USA soll vor allem angesesichts der weltweit zunehmenden japanischen Herausforderung eingewilligt haben.
IBM selbst befürchtete gegen Ende der siebziger Jahre, und zu Recht, dass sie auf dem japanischen Inlandsmarkt von Position 1 (1978) auf 2 rutschen würde. So mächtig drehte Fujitsu auf. In der Tat: 1979 verdrängte hier der japanische Hersteller den Computergiganten von dem Spitzenplatz, den dieser bis heute nicht zurückerobern konnte. Und auchauf den lokalen Märkten Europasverlor der Computerriese zunehmend an Boden - durch nationale Hersteller wie Siemens, ICL oder CII-Honeywell Bull, mehr noch aber ebenfalls durch die Japaner, die mit eiropäischen Formen kooperierten.
So machten die Hersteller wie Hitachi (Nr. 4 auf der Insel) und Fujitsu der IBM das Leben auf den internationalen Computermärkten immer schwerer. Bislang konzentrierte sich dieser Kampf auf Großcomputer in der Größenordnung bis zu 10 Mio. Dollar. Doch nun stand ein Frontalangriff auf IBMs Breitenbasis, die kleineren Großrechner (bis zu einer Million Dollar) bevor. Dass IBM diesen Breitenmarkt auf jeden Fall verteidigen wollte, zeigte schon dass Vorgeplänkel zur Ankündigung der 4300er Serie: Unter dem Codewort E-Serie (E für low END) kamen 1978 aus Japan die ersten Gerüchte über die bevorstehende Ankündigung des Computers.
"Amerika ist nur noch auf zwei Märkten weltweit führend: auf dem der Landwirtschaft und dem der Informationstechnologien", warnte zu jener Zeit die New York Times und schürte damit die Angst der Amerikaner vor den Japanern, die ihnen diesen Führungsanspruch zumindest im Computerbereich offensichtlich nehmen wollten und die eine Großoffensive nach der anderen auf die amerikanische Elektronikindustrie starteten.
Angesichts der Tatsache, dass es den übrigen amerikanischen Computerherstellern im Großcomputergeschäft nicht gelungen war, während des zu jener Zeit (1979) zehn Jahre alten und die IBM in ihrem Aktionsspielraum lähmenden Antitrustprozess ernsthaft zu stoppen, sah die amerikanische Regierung wohl auch keine Veranlassung auf Produzenten wie Burroughs, Univac, NCR, Control Data und Honéywell besondere Rücksicht zu nehmen.
Die Regierung erkannte auch, dass eine in viele Einzelgesellschaften zerschlagene IBM die neue fernöstliche Herausforderung ebenfalls kaum bewältigen konnte. William Baxter, Generalstaatsanwalt und Chefankläger gegen IBM, rehabilitierte endgültig den Computergiganten: "Es ist vollkommen klar, dass IBM ihren riesigen marktanteil auf gänzlich legalem Weg erhalten hat."
Und noch etwas kam hinzu: End e1979 hatten die Japaner über 40 Prozent des Marktes für Speicherchips mit dem damals üblichen Fassungsvermögen von 16.000 Basiszeichen (16 Kilobits) besetzt. Und IBM offerierte mit ihren jüngsten Computern den Einsatz der neuen Generation von Speicherchips: die 64-Kilobit-Chips. Um zu verhindern, dass die Japaner diese Technologie monopolisierten, war die Regierung auf den Hersteller angewiesen, der als einziger Amerikaner zu diesem Zeitpunkt in nder Lage war, 64-K-Chips in Mengen herzustellen: IBM.
Diese fortschrittöliche Speichertechnologie hatte es der IBM denn auch zu verdanken, dass sie den Preissturz bei ihrer E-Serie vornehmen konnte. Angesichts der zu diesem Zeitpunkt darniederliegenden Halbleiter-Branche in den USA war die amerikanische Regierung damals gezwungen, auf das einzige Trumpf-As, über das sie verfügt, zu setzen: auf IBM.
Für den Marktführer war damit wohl endgültig klar, dass die Regierung die in dem Antitrust-Prozess erhobenen Vorwürfe nicht mehr länger aufrecht erhalten konnte oder wollte. Und als dann am 8. Januar 1982 endlich die Niederschlagung des Verfahrens proklamiert wurde, konnte der Computergigant seinen Erobderunbgsfeldzug endlich fortsetzen: Im neuen Markt der Telekommunikation, dessen Schicksal sich auf dem alten Kontinent, in Europa, entscheiden wird.

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