Dienstag, 29. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

2. Gefahr für IBMs Produktlinie (2)
Ein Trend, der sich - folgt man den Gerüchten - zu bestätigen scheint. So will Phulip D. Estridge, Präsident von IBMs PC-Division, bereits eine Wunschliste jener Produkte angefertigt haben, die er gerne unter seine Fittiche nehmen möchte: die Bürocomputer /34, /36 und /38 (zusammen über 90.000 Installationen weltweit) sind ebenso dabei wie die Minicomputer der Serie /1, die als Zusatz-Board gar direkt in den Personal Computer eingebaut werden sollen. Selbst die kleinen und mittelgroßen Mainframes der erfolgreichen Prozessorfamilie 4300, die IBM-intern neuerdings als Superminis bezeichnet werden, sind betroffen.
Die meisten dieser Rechnertypen wurden bislang exklusiv von IBMs eigenem Vertrieb vermarktet. Nun sollen sie - den Wünschen des PC-Präsidenten und vieler anderen IBM-Oberen zufolge - auch von Dritten, den autorisierten Händlern, Dealern, Agenten, Software- und Systemhäusern angeboten werden können. Als hochwertige Arbeitsplatzcomputer, die leicht zu bedienen sind, ähneln sie bereits heute mehr den Personal Computern als klassischen Mainframes.

Montag, 28. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

2. Gefahr für IBMs Produktlinie
Gerade wegen dieser enormen Erfolge, die IBM anstrebt, steht der Marktführer nach Meinung von ADV/Orga-Chef Meyer aber auch vor dem "wohl größten Wandlungsprozess in seiner Geschichte". Ihn muss der Computergigant in den kommenden Jahren bewältigen. "Die gesamte Produktlinie ist durch den Personal Computer infrage gestellt."
In der Tat - IBMs vielfältige Produktlinien,
die sich in den sechziger und siebziger jahren zwischen den beiden heutigen Extremen Personal Computer und Größtcomputer aufgebaut haben,
die oftmals miteinander konkurrieren, ineinander verschachtelt sind oder einander ergänzen,
sind in Gefahr von der Entwicklung völlig überrollt zu werden.
"IBMs größte Herausforderung besteht darin, dies zu verhindern", meint Meyer. So muss der Marktführer allein im Produktbereich Bürosysteme "mit sechs untereinander inkompatiblen Produkten fertig werden", berichtet das Wirtschaftsmagazin Business Week. (16)
"Immer mehr Computer am unteren Ende der Leistungsskala werden in der Welt der Personal Computer aufgehen", prophezeit Benno Hilmer, geschäftsführender Gesellschafter des Mönchengladbacher Softwarehauses Holland Automation International, "bis am Schluss nur noch Mainframes und Personal Computer übrigbleiben."

Sonntag, 27. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (6)
"Dies ist der Beginn einer völlig neuen Generation von Personal Computern", kommentierte der Marktforscher Norm DeWitt von Dataquest die Ankündigung dieses neuen PCs, der auf dem brandneuen Mikroprozessor Intel 80286 basiert. "Der AT schickt sich an, den Markt für Mehrbenutzersysteme zu dominieren." Nach Meinung von Insidern liegt er 20 bis 40 Prozent unter dem Preis vergleichbarer Multiuser-PCs. Unter dem Namen "Popcorn" war der 32-Bit-Mikro bereits seit einigen Monaten Gegenstand heftigster Spekulationen. Doch kaum jemand hatte mit einem derart aggressiven Pricing gerechnet: Der Super-PC kostet in der Minimalkonfiguration (256 K Hauptspeicher, 1,2 Mb. Floppy-Laufwerke/5 Zoll) 3.995 Dollar. für 5.795 Dollar bekommt man 512 K Hauptspeicher und eine Winchester-Platte mit 20 MB. Insgesamt lässt sich der Hauptspeicher auf drei Megabyte und der Plattenspeicher auf 40 Megabyte ausbauen. Der SNA-fähige AT kann als Leitstation 72 PCs in einem neuen PC-Network steuern. Als Multiuser-System ist er in der Lage, bequem drei Benutzern zu dienen. Die Marktforscher von Dataquest Inc. glauben, dass IBM bereits 1985 rund 22 Prozent des Marktes für Muliuser-Systeme (1,8 Milliarden Dollar) behaupten werde. Dataquest-Analyst Jim Reynolds: "Ich erwarte, dass 50 Prozent der Firmen, die Multiuser-Systeme herstellen, entweder aus dem Markt verschwinden werden oder sich mit anderen Herstellern innerhalb der kommenden zwei Jahre zusammentun". Bereits 1988 werde dieser Markt zehn Milliarden Dollar erreichen.
Angesichts solcher Aussichten überschlagen sich die Marktforscher bei ihren optimistischen Prognosen für IBM. Ulric Weil, Analyst bei Morgan Stanley Guaranty, glaubt, dass IBM bereits 1984 rund sechs Prozent ihres Umsatzes mit ihrer PC-Familie machen wird. (14) Andere Insider behaupten, dass Big Blue 1985 rund 50 Prozent Weltmarktanteile halten werde. (15)

Mittwoch, 23. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Die Pcialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (5)
Mit ihrer Strategie sucht IBM die totale Marktabdeckung. Da gibt es den PC für daheim (PCjr, in den USA im November 1983 angekündigt) und für unterwegs (PC Portable, Februar 1984). Im Büro wartet eine ganze Phalanx von Personal Computer auf den Benutzer. Da ist der klassische PC (August 1981) und sein größerer Bruder PC/XT (März 1983). Sie sind die derzeit noch populärsten PCs, die vor allem auf den spezifischen Bedürfnisse einzelner Benutzer zugeschnitten sind. Und da ist der 3270-PC (Oktober 1983), der hervorragend geeignet ist, um mit dem Großrechner zu kommunizieren. Schließlich steht da noch er XT/370 (Oktober 1983), ein Arbeitsplatzcomputer für Programmierer, auf den Software vom Großrechner heruntergeladen werden kann, um diese dann vor Ort zu pflegen, zu warten oder gar weiterzuentwickeln. Schon sind weitere PCs im Abnarsch. So verkündete IBM im August 1984 einen neuen Personal Computer PC/AT (Advanced Technology) an, der als Mehrbenutzersystem einsetzbar ist.

Dienstag, 22. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (4)
Für 1984 soll IBM bei seinen PC-Lieferanten Komponenten für rund zwei Millionen Perrsonal Compuzer bestellt haben, die im Orwell-Jahr ausgeliefert werden sollen. Ende 1984 wird bereits alle sieben Sekunden ein PC die Produktion verlassen.
Seit März 1984 stellt der Riese die Intelligenz der Rechenzwerge, die Mikroprozessoren, weitgehend selbst her. Bislang hatte er das Herzstück seiner am meistern verkauften PCs, die auf dem 1979 erstmals vorgestellten Intel 8088 basieren, bei dem kalifornischen Chipproduzenten Intel eingekauft, an dem er seit 1983 mit inzwischen nahezu 20 Prozent beteiligt ist. Damit machte sich der Gigant unabhängig von dem durch den PC-Boom völlig überhitzten Halbleitermarkt.
Schon gilt der Gigant als der Hersteller, der zu den niedrigsten Kosten produziert. Dabei ist das Rationalisierungspotential noch gar nicht ausgereizt. So lassen sich die 200 Chips, die derzeit für den Bau eines PCs notwendig sind, nach Meinung der Marktforschungsfirma Dataquest bei Einsatz modernster Technologien auf 20 Stück reduzieren. (13)

Donnerstag, 17. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (Teil 4)
Innerhalb kürzester Zeit holte sie sich 26 Prozent Marktanteile, und der Erfolg reißt alle mit. "Der PC hat die gesamte Firma wiederbelebt", meint der Wall-Street-Analyst Stephen T. McClellan von Salomon Brothers. Ende 1984 wird IBMs Marktanteil bereits bei 38 Prozent liegen, prophezeien die Marktforscher von Future Computing. (8) Michael S. Preston, Branchenbeobachter für den Börsenmakler L.F. Rothschild, Unterberg, Towbin: "Die größte Überraschung war, wie schnell und in welchem Ausmaß IBM zum dominierenden Faktor in dieser Branche wurde." (9) Sie besitzt mittlerweile Produktionskapazitäten in Boca Raton, Florida, und Greenock, Schottland, die fürf einen monatlichen Output von mindestens 100.000 PCs ausgelegt sind. (10) "Alle 45 Sekunden entsteht ein neuer Computer", erläutert der IBMer Daniel H. White, der die Produktionsstätten aufbaute. (11) Schon will IBM ihre Fertigungskapazitäten 1984 ververfachen und stößt dabei an Steuergrenzen: Ein in Boca Raton geplante Expansion der Produktionsfläche um zehn Prozent wurde im Januar 1984 zurückgenommen, weil der Staat Florida dies als Anlass nahm, auf der Basis der international umstrittenen amerikanischen "Unitary Tax" Extrasteuern für diesen profitablen Bereich von dem Multi zu verlangen.

Mittwoch, 16. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (3)
"Der Manager sitzt an seinem Personal Computer und beschäftigt si8ch mit ihm. Doch bald darauf erkennt er, dass er den Zentralcomputer anwählen muss. Plötzlich suchen gleich ihm 300 Manager über ihren Personal Computer Kontakt zu den Großcomputer. Das Ergebnis: die Firma muss mehr zentrale Rechnerkapazität kaufen", erläutert Frank Gens, Marktforscher der Bostoner Yankee Group, die Prinzipien, nach denen sicv PC und Mainframe gegenseitig hochschaukeln. (2) Lewis Branscomb, Chefwissenschaftler der IBM, meint: "Unsere großen Kunden stellen fest, dass sich der Verkauf von Personal Computern in derselben Größenordnung vollzieht wie die Nachfrage nach zentraler Speicher- und Rechenkapazität, nämlich um 40 bis 60 Prozent." (3)
Ein phantastisches Geschäft für IBM, die 1982 rund 14,5 Milliarden Dollar (4) in ihren Maibframe-Park (Großrechner, Peripherie und Software) umsetzte und in der zweiten Hälfte der achtziger Dekade mehr als zehn Milliarden Dollar aus dem Geschäft mit dem Personal Computer herausholen will. (5) Das würde bereits IBMs Großrechner-Umsatz des Jahres 1983 entsprechen.
Allein 1983 hat IBM nach Angaben von Marktforschungsunternehmen mehr als eine halbe Million ihrer erst im August 1981 angekündigten Personal Computer ausgeliefert. Sie wird 1984 rund fünf Milliarden Dollar Umsazu (6) mit dem kleinen Tausendsassa machen, dem sie zu weltweiter Akzeptanz verhalf. Meint David Crocket: "Erst IBMs Einstieg in den Markt für professionelle Personal Computer hat den verwirrten Benutzern die notwendige Sicherheit gegeben."

Dienstag, 15. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

1. Großmacht im Aufbruch (2)
Schon befindet sich die gesamte Computerindustrie in einem radikalen Umbruch. Erkenntnisse des amerikanischen Marktforschungsunternehmens IDC zufolge, rekrutierten sich 1975 die EDV-Verkäufe zu rund 80 Prozent aus dem Großcomputergeschäft. Vor allem durch den Vormarsch leistungsstarker Minicomputer sank bis 1980 dieser Anteil bei absolut wachsendem Markt auf 60 Prozent. Bis 1985 sollen die Mainframes nur noch zu 30 Prozent am Gesamtumsatz der Branche partizipieren. Gleichzeitig wird der Anteil der Mikros von 7,5 auf 43 Prozent wachsen.
David Crocket, Präsident des Marktforschungsunternehmens Dataquest, bestätigt mit seinen Analysen den Trend. Er glaubt, das 1987 das PC-Geschäft mit 51,9 Milliarden Dollar der größte Umsatzbringer im Computermarkt sein wird. Und wie kaum ein anderer will IBM an diesem Supergeschäft mit den PCs teilhaben, das gleichzeitig aber auch ihren Umsatz mit Großrechnern sichern soll.

Montag, 14. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen



1. Großmacht im Aufbruch (1)
In verschwiegener Runde offenbarte ein hochkarätiger IBM-Stratege einer kleinen Schar von linientreuen Vertriebsbeauftragten die Produktstrategie des Computergiganten in den späten achtziger Jahren. "Wir werden nur noch zwei Rechnerlinien haben: Großcomputer und Personal Computer. Alles andere verschwindt."
Friedrich August Meyer, Chef und Gründer des Wilhelmshavener Softwarehauses ADV/ORGA AG, bestätigt: "Diese Entwicklung ist schon jetzt klar und deutlich. Sie wird grausame Auswirkungen auf viele Hersteller haben. Dabei ist dies keineswegs ein revolutionärer, sondern ein evolutionärer Prozess, bei dem allerdings schon ein einziger strategischer Fehler verheerende Folgen für den Anbieter haben kann."
Der britische Wissenschaftler Martin Healey, Professor am University College in Cardiff, Wales, meint gar, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre der Microcomputer die Minicomputer ersetzen und "das derzeitige Mainframe-Konzept völlig zerstören wird". Nur noch wenige Hersteller von Großcomputern (Mainframes) werden überleben, die anderen werden ganz einfach verschwinden". (1)
Einer der Überlebenden heißt IBM, mit über vierzig Milliarden Dollar (1983) weit und breit der größte Computerhersteller der Welt. Für ihn bilden Personal Computer und Großrechner - der neue und der alte Multimilliardenmarkt - die ideale Symbiose, die in den achtziger Jahren das Geschäft mit den Informationstechnologien beherrschen wird. Sie sind die Basisürodukte für die Eroberung sämlicher neuen Märkte, die IBM in den achtziger Jahren betreten wird.

Sonntag, 13. März 2011

II: Zurück zur Zukunft - Die PCialisierung der Großunternehmen

Rücksichtslos gegen sich selbst hat der Computergigant begonnen, sein gesamtes Geschäft neu zu strukturieren. Herausgefordert durch das Eindringen des amerikanischen Telefonriesen AT&T und durch den Vormarsch der Japaner prescht IBM mit höchster Aggerssivität in neue Märkte und bricht mit überkommenen Traditionen. Strategisch höchste Bedeutung hat dabei der Personal Computer, der die großrechner-orientierte IBM-Welt gleichsam vom Kopf auf die Füße stellen soll. Mehr als 60 Prozent seiner PCs will der Marktführer in Großunternehmen absetzen.
Morgen geht's weiter

Samstag, 12. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)

3. Antitrust versus Aktienkurs (4)
Nur noch eine Unsicherheit plagt die Wall Street-Analysten: "Normalerweise verschlechtern sich die Ergebnisse und das Wachstum geht runter, wenn die Einführung einer neuen Generation von Mainframes ansteht", spekuliert Edelsson mit der Ankündigung der Sierra-Serie, die IBMs 308x-Familie ablösen wird. "Aber das ist normal", tröstet sich der Branchenkenner.
Und so steht eigentlich nichs mehr einen neuen Höhenflug der IBM-Aktie auf 150 Dollar und mehr im Wege.

Freitag, 11. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)

3. Antitrust versus Aktienkurs (3)
Cary, dritter in der direkten Nachfolge des Firmengründers Thomas J. Watson Sr., musste erleben wie der Kurs im Vergleich zum Gewinn immer weiter schrumpfte. Übertrumpfte der Börsenwert der Aktie den Gewinn in der Watson-Ära noch um den Faktor 40 bis 50, so war er jetzt nur noch zehn bis 15 mal höher. "Es wäre kaum möglich gewesen, diese Erfolge zu wiederholen. Und das hat ja auch niemand erwartet. Nichtsdestotrotz ist es enttäuschend, wenn der Wert der Aktie ausgerechnet in der Zeit sinkt, in der man selbst die Firma führt", hadert der erfolgreiche Stanford-Schüler Cary mit dem Schicksal.
Aber auch heute glauben selbst die größten Optimisten nicht, dass IBMs Kurs jemals wieder an die legendäre Watson Ära anknüpfen kann. So lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis der IBM-Aktie Mitte 1984 bei dem Faktor 11 gegenüber dem erwarteten Gewinn von 10,50 Dollar je Share. Als "absolut lächerlich" stufte der Wall-Street-Analyst Robert Kirby, Chairman von Capital Guardian Trust in Los Angeles, dieses Verhältnis ein. (3)
Doch das wird so nicht bleiben. Denn alles spricht für einen neuen Höhenflug der Aktie des profitabelsten Unternehmens der Welt. Die Gewinne steigen weiter: um rund 20 Prozent im zweioten Quartal 1984. Und die Wall-Street-Auguren, die einen Gewinnanstieg um 14 Prozent für 1984 prophezeiten, fangen an, ihre Erwartungen wieder nach oben zu schrauben. "Alle Trends sind intakt", meint Harry Edelson, Analyst bei der First Boston Corp.. "Wenn es irgendeine Überraschung gibt, dann für diejnigen, die glaubten, dass das Wachstum sich verlangsamen würde."
Dokumentation: Frank T. Cary (Bild)

Donnerstag, 10. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)


3. Antitrust versus Aktienkurs (2)
Nur im Vergleich mit sich selbst konnte IBM recht gute Ergenisse ausweisen. So meinte denn auch John Opel vor den Aktionären in Kansas City die Erfolge des Computergiganten und damit seines Vorgängers Fank T. Cary, 62, einmal deutlich herausstreichen zu müssen: "Auf der Basis der klassischen Bewertung von Unternehmen war die wirtschaftliche Leistung der IBM in den siebziger Jahren in jeder Beziehung beeindruckend. Wir verdreifachten unsere Umsätze. Wir verdreifachten unser Gewinne, und wir schafften dies mit nur 30 Prozent mehr Personal." - An der Börse wurden diese Erfolge indes nicht honoriert. Als der Computerriese im Mai 1979 zum vorläufig letzten Mal einen Aktiensplit vollzog, sackte der Kurs (umgerechnet?*) weit unter die 100-Dollar-Marke - zum ersten Mal seit den dreißiger Jahren und erst 1983 gelang ihm der Sprung über diese magische Grenze.
Es fehlte an der Wall Street das Vertrauen in ein Unternehmen, das durch Antitrust auf Gedeih und Verderb von dem Willen der US-Regierung abhämngig war: "Der Aktienkurs blieb konstant, während das Kurs-Gewinn-Verhältnis sich verschlechterte. Wir sind über den Verlauf der Ereignisse genau so enttäuscht wie jeder andere auch. Wir glauben, unsere Aktie ist unterbewertet", klagte Großverdiener John Opel (Jahreseinkommen rund 1,3 Millionen Dollar) sein Leid. Und auch Frank T. Cary, der in den antitrustverfahrenen sienbziger Jahren den kraftstrotzenden Koloss als Chief Executive Officer (1973 bis 1981) zügeln musste, meinte bei seinem Abschied, dass seine größte Enttäuschung die Entwicklung an der Börse war.

* Dass der Kurs einer Aktie beim Split sinkt, sollte mir 1984 eigentlich bekannt gewesen sein. Muss diese Behauptung dennoch auf ihre Plausibilität überprüfen. RV
In obiger Grafik dokumentierte DER SPIEGEL 1973 die Marktanteile im Computernarkt. Sie ist auch ein Beispiel dafür, wie vor 40 Jahren Magazin-Stories optisch angereichert wurden - mit maximal einer Zusatzfarbe.

Mittwoch, 9. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (3)

3. Antitrust versus Aktienkurs (1)
Mit einem atemberaubenden Tempo peil Big Blue beim Umsatz die 100 Milliarden Dollar Grenze an. "Wir werden in den achtziger Jahren um durchschnittlich 20 Prozent wachsen", hatte John Roberts Opel, 58, Chairman des Technologie-Riesen im August 1981 bei der Ankündigung des Personal Computers vorhergesagt. Erfüllt sich diese Prognose, wird IBM 1990 knapp 150 Milliarden Dollar umsetzen.
Seit Ende der sienziger Jahre versucht der Computerriese, sich mit aller Macht von einer Vergangenheit zu verabschieden, die über ein Jahrzehnt hinweg von dem 1969 initiierten Antitrust-Verfahren bestimmt war. "Das hing 13 Jahre lang wie eine finstere Wolke über uns", erinnert sich IBMs früherer Chairman Frank T. Cary, Opels Vorgänger. (1)
Am 8, Januar 1982 war der unglückselige Prozess endgültig niedergeschlagen worden, nachdem sich bereits 1978 angedeutet hatte, dass die bestehenden Antitrust-Vorschriften mehr und mehr an Gültigkeit verloren. "Ohne Verdienste", hatte William F. Baxter, Vertreter der Anklage und von Präsident Ronald Reagan einberufener Chef der US-Kartellbehörde das "Methusalem"-Verfahren abgekanzelt.
Nur um durchschnittlich 13 Prozent waren in den siebziger Jahren die Umsätze des Giganten gestiegen. Das war deutlich unterhalb des Branchendurchschnitts von rund 20 Prozent. IBMs Weltmarktanteil sank denn auch von 60 Prozent im Jahre 1967 auf knapp 40 Prozent 1980. "Unser Aktienpreis war eine Enttäuschung", klagte noch im Frühjahr 1981 John Robers Opel vor 1.154 Aktionären in Kansas City über die Kursentwicklung des Giganten in der 70er Dekade.
Während Newcomer wie Digital Equipment, Hewlett-Packard, Nixdorf, Wang oder Tandem das große Rennen um die Zukunftsmärkte machten, konnte der blaue Riese nicht mithalten. DEC oder Wang wachsen zum Beispiel jährlich um 35 Prozent. Sie schütteten zwar keine Gewinne an die Aktionäre aus, dennoch waren sie als Aktie äußerst begehrt. Dadurch das der Profit in der Firma blieb, kletterte der Börsenkurs dieser Firma unentwegt nach oben.

Dienstag, 8. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (4)
Es ist durchaus möglich, dass ein Rechner, der ursprünglich für drei oder fünf Jahre geleast wurde (und zwar Full-Pay-Out), am Ende sechs oder acht Jahre bei ein und demselben Kunden installiert bleibt, weil die Maschine permanent aufgerüstet wurde. In diesem Zeitrahmen kauft der Kunde nach Ablauf des Leasingvertrages seine flexibel aufrüstbare Maschine zum Markt- oder Buchwert.
Das Ergebnis einer solchen Geschäftspolitik: Der Gebrauchtmaschinenmarkt, der bislang davon lebte, dass ein Rechner des Kunden A an einen Kunden B weiterveräußert wurde, wird immer kleiner. Die Geschäfte finden nur noch bei ein und demselben Kunden statt. Und taucht die Frage auf: Durch welchen Marktmechanismus werden dann die Marktpreise von Gebrauchtmaschinen festgelegt? Vermutet Schröder: "Je mehr Macht IBM über den Gebrauchtmaschinenmarkt besitzt, desto höher sind die Preise. Dies kann nicht im Sinne der Anwender sein, die gerade hier nach preiswerten Alternativen suchen. Andererseits könnte dies der PCM-Industrie Auftrieb geben, die bislang immer gegen die preiswerten Produkte im Secondhandmarkt konkurrieren musste."
Welche Auswirkungen dies langfristig haben wird, ist heute noch unklar. Keiner weiß, wie die Leasingfimen dieser Strategie begegnen werden. Keiner weiß, wie letztlich der Kunde reagiert. Und völlige Ungewissheit herrschte Mitte 1984 noch darüber, welche Auswirklungen die zu diesem Zeitpunkt bevorstehende Ankündigung der unter dem Codenamen "Sierra" gehandelten neuen Großrechnerserie haben wird. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich erst mit dieser neuen Generation die Leasingstrategie voll entfalten wird.
Doch eins ist sicher: IBM hat einen enormen Handlungsspielraum zurückerobert, den sie braucht, um ihre ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen und die depressiven Antitrustjahre zu überwinden.

Montag, 7. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (3)
In der Tat - IBM weitet ihre Herrschaftsbasis immer weiter aus, und sie überwindet gleichzeitig Rechtsvorschriften, die ihr genau diese Expansion verbieten. Denn jede verkaufte Maschine darf IBM aufgrund einer 1956 in ihrem Antitrustvergleich mit der amerikanischen Regierung getroffenen Vereinbarung nur unter sehr erschwerten Umständen zurückerwerben (zum Beispiel Inzahlungnahme). Mit Leasing ist dieses Problem gelöst. Zwar kann IBM auch beim Mietgeschäft einen installierten Rechner wieder zurücknehmen, doch hier muss eine solche Mietmaschine immer als neuwertuge Anlage zum Listenpreis weitervermarktet werden. Da diese Preisbindung von Mietmaschinen von den Brokern und Leasingfirmen mit Gebrauchtrechnern permanent unterboten wurde, verlor IBM viel Geschäft bei den Anwendern, die sich über den preisgünstigen Secondhandmarkt mit Hardware versorgten.
Beim Leasing jedoch kann IBM einen Rechner nach Vertragsablauf als Gebrauchtmaschine zum Marktwert weiterveräußern. Das Ergebnis: Sie beherrscht nach und nach auch den Secondhandmarkt, der bislanbg in festen Händen von Brokern und Leasinggesellschaften war.
Noch ein Trick wäre möglich: IBM hat ihre Großrechnerhardware (308X) so konzipiert, dass sie von einem Basismodell aus auf größere Versionen aufrüstbar sind. Der Leistungsunterschied zwischen dem kleinsten und dem größten Modell erreicht dabei den Faktor 6. Der Kunde kann "im Feld", also in seinem Rechenzentrum, sein Basissystem kontinuierlich ausbauen. Und da stellt sich die Frage: Wie verhält sich nun der Leasingvertrag zur Aifrüstung, und welche Auswirkungen hat dies auf IBMs Geschäftspolitik.


Sonntag, 6. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (2)
In der guten alten Zeit der Alleinherrschaft der Mainframes war es IBM nicht bnur gelungen, ihren Traditionsmarkt zu besetzen, sondern mit Hilfe der Miete auch zu besitzen. IBM war Eigentümerin der Produktionsmittel ihrer Kunden.
Doch mit dem Aufkommen der neuen Märkte ließ sich diese Strategie nicht mehr durchhalten. IBM musste andere Wege finden, das Obereigentum über die Installationsbasis zu erlangen. Ein gutes Mittel war dabei das Softwaregeschäft.
Wenn IBM ihre Softwarewerte aktivieren würde, was sie bislang nicht tut, dann könnte man erahnen, wie stark dieses Herrschaftsinstrument bereits heute ist, mit dem sie Ende der achtziger Jahre zehn Milliarden Dollar Umsatz machen wird. Jedem Computerhersteller ist längst klar, dass heute die Software das Produktionsmittel ist und nicht die Hardware. Und Eigentümerin der strategisch wichtigsten Kundensoftware, den Systemprogrammen, ist der Lieferant IBM.
Hinzu kommt eine andere Entwicklung, deren Auswirkungen ebenfalls noch gänzlich ungewiss ist: Leasing. 1981 gründete der Gigant die IBM Credit Corporation. Ihre Dienstleistungen werden von immer mehr Kunden in Anspruch genommen. Hier hat IBM ein völlig neues Machtinstrument in der Hand, das sie wieder zum Eigentümer der Kundenhardware machen kann. Es hat dabei den erfreulichen Nebeneffekt (vielleicht ist sogar das Hauptmotiv), dass sich IBM die Kontrolle über ihre Installationen wieder voll sichern kann. "Sie besitzt dann eine doppelte Kontrolle über den Markt", warnt Ulrich Schröder, geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Leasingberatung ICC. "Neben der Herrschaft durch die Software, von der alle IBM-Anwender abhängig sind, wird sie nicht nur das Neugeschäft, sondern auch noch den Gebrauchtcomputermarkt an sich reißen, zu dem sie bislang keinen Zugang hatte."

Samstag, 5. März 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (2)

2. Abschied von der Miete (1)
Unterstützt wird dieses Streben nach Marktmacht auch von einer ganz anderen Entwicklung, die in ihren Auswirkungen noch gar nicht zu übersehen ist: die Verlagerung des Umsatzes vom Mietgeschäft hin zum Verkauf. Ihr hat IBM ihr großes Liquiditätspolster zu verdanken. Sie verunsichert allerdings so manchen Anleger - wie zum Beispiel Irv Kormanoff.
Die Wende zum Verkaufsgeschäft wurde erstmals 1981 voll sichtbar. Damals übertraf der Verkaufsumsatz von 12,9 Milliarden Dollar die Mieteinnahmen (10,8 Milliarden Dollar) erstmals um 20 Prozent. Und Ende 1983 lagen zwischen dem Mietgeschäft und den Verkaufsumsätzen bereits 14 Milliarden Dollar.
Dieser Trend setzt sich weiter fort. Im ersten Quartal 1984 stiegen die Verkäufe um 38 Prozent, während die Mieteinnahmen um 26 Prozent sanken. Im zweiten Quartal 1984 hatte der Anteil der Verkäufe asm Umsatz bereits 63 Prozent erreicht, ein Jahr zuvor hatte er noch bei 56 Prozent gelegen. Und die Mieteinnahmen fielen nochmals um 27 Prozent.
Diese Entwicklung hat zur Folge, dass IBMs Anlagevermögen, in dem die Mieteinnahmen traditionell den größten Aktivposten darstellten, mit dem Umsatz nicht mehr Schritt halten kann. Nachdem es 1981 mit 30 Milliarden Dollar den Umsatz noch um knapp eine Milliarden übertroffen hatte, sinkt das Anlagevermögen immer schneller ab.
All das sind gute Gründe für Pessimisten wie Kormanoff, die in der IBM-Strategie eine Ausverkaufspolitik sehen. Sieverkennen dabei jedoch, dass sich der Marktführer seit 1980 in einem gewaltigen Wandlungsprozess befindet, aus dem er zu Beginn der neunziger Jahre als das umsatzstärkste Unternehmen der Welt hervorgehen will. Rund um das traditionelle Großcomputergeschäft entstehen ständig neue Märkte, die sich so schnell verändern, dass das langfristige Mietgeschäft sich kaum auszahlt.

Freitag, 25. Februar 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (1)

1. Der Höhenflug (3)
Angezogen durch den Gewinn, den sie damit erzielen, verkauften große Institutionen ihre Aktien", notierte am 31. Januar 1984 die Financial Times in ihrem Börsenkommentar. Anders ausgedrückt: Die mächtigen Anleger rechneten mit einem weiteren Sinlen der Kurse und wollten sich rechtzeitig von ihren IBM-Papieren trennen. Allein an einem Vormittag im Februar 1984 wechselten eine Million Aktien den Besitzer: Der Kurs fiel prompt auf 109 Dollar.
Was waren die Gründe für diesen Umschwung? Abgesehen von der fortgesetzten Hochzinspolitik, die 1984 die Börse plagte, war es IBM selbst die Anlass für die Unsicherheit der Anleger gab. Es begann mit dem Jahresabschluss 1983, der die allzu8 anspruchsvollen Anleger nervös reagieren ließ.
Zwar überstieg der Umsatz am Jahresende mit 40,18 Milliarden Dollar das Vorjahresergebnis um 17 Prozent, doch der Gewinn wuchs "nur" noch um 24 Prozent. Ein Jahr zuvor waren es 26 Prozent gewesen. Als dann die Ergebnisse des ersten Quartals vorgestellt wurden, präsentierte IBM zwar einen Anstieg des Gewinns um 23 Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar bei einem Umsatzwachstum von 17 Prozent, aber dem IBM-Watcher von Ulric Weil von Morgan Stanley imponierte dieses Eregbnis nicht besonders. Der Marktführer hatte nämlich rund 211 Millionen Dollar, also knapp 20 Prozent des Gewinns, nicht mit dem laufenden Geschäft erzielt, sondern mit Zinsen für seine Guthaben. So sammelt sich bei IBM bis Ende 1983 eine Liquidität von 5,5 Milliarden Dollar an, die zum größten Teil in kurzfristig verfügbaren Wertpapieren angelegt waren. Zieht man diese Zinsen vom Gewinn ab, dann kag der Proifitanteil vom Umsatz nur noch 22,1 Prozent. Ein Jahr zuvor hatte der entsprechende Prozentsatz bei 22,5 Prozent gelegen.
Warum kommen die Gewinne aus Bankzinsen und nicht aus dem Umsatz? Diese Zahlen zeigen an, mit welcher Aggressivität IBM ihr Geschäft verfolgt, meint Ulric Weil, der in einem Kommentar gegenüber dem Wall Street Journal am 13. April 1984 folgende Erklärung lieferte: "Die Antwort darauf ist IBMs Bestreben, die Branchenpreise zu drücken, um die Mengenauslieferung weiterhin anzukurbeln." Es geht primär im Marktanteile und erst dann um Gewinn. Doch als IBM im August 1984 ihren neuen Personal Computer PC/AT (Advanced Technology) ankündigte, stiegen die Aktien wieder auf 124 Dollar. Der Höhenflug setzte sich wieder fort. Die Anleger hatten sich an die neue Situation bgewöhnt: IBMs Bestreben, mit Niedrigpreisprodukten an Markt immer weiter zu eroben.

Donnerstag, 24. Februar 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (1)

1. Der Höhenflug (2)
In der Tat - der Computergigant entwickelte sich 1983 besser als der ohnehin schon hervorragende Ruf, der ihm sein Herbbst des Vorjahres aus der Wall Street voraus eilte. Seit diesem Jahr galt IBM mit rund 5,5 Milliarden Dollar Gewinn als das profitabelste Unternehmen der Welt.
"Eine der größten Überraschungen", war zum Beispiel für Stephen T. McClellan, Analyse bei Salomon Brothers, die Entwicklung IBMs in den ersten sechs Monaten des Erfolgsjahres 1983. So steigerte sich damals der Umsatz des Branchenriesen um 18 Prozent auf 17,88 Milliarden Dollar im Verglöeich mit dem ersten Habjahr 1982 (15,12 Mrd. Dollar). Die Gewinne summierten sich in diesem Zeitraum gar auf 2,32 (1,87) Milliarden Dollar und lagen damit um 24 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Der Gewinn pro Aktie war mit 3,84 (3,14) Dollar im zweiten Quartal "zehn Cents höher als angenommen" (6).
Auch Jack Cantwell, Vizepräsident von Dean Witter Reynolds, gestand ein, dass "IBMs Gewinne oberhalb der Wall-Street-Schätzungen liegen". Der Glaube an IBM wurde immer größer. Prompt revidierten Börsenanalysten wie McClellan ihre Gewinnerwartungen für 1984 nach oben: von 10,25 auf 10,50 (1982 7,38) Dollar je Aktie. "Wir gehen aufgrund der vorliegenden Ergebnisse davon aus, dass die Gewinnschätzungen weiter nach oben steigen." (7) Und Francis H.M. Kelly von Dean Witter Reynolds Inc. warnte: "Mein Instinkt sagt mir, alles zu meiden, was auch nur im entferntesten mit IBM konkurriert." (8)
All das machte Irv Kormanoff mehr als stutzig. "Jeder Idiot besitzt sie", keiner kauft sie, "alle haben genug IBM-Aktien", schimpfte der Börsenprofi im Juli 1983 seine Kollegen gegenüber dem "Wall Street Journal" aus. Sie würden ihre Shares als Liquiditätspolster solange parken, bis die Nachfrage wieder steige. Er glaubte, dass schon der kleinste Hinweis auf eine Enttäuschung eine Panik unter den Brokern auslösen könne. Und dann lieferte er selbst die Hinweise: IBM betzreibe vehement den Verkauf ihrer Produkte und verzichte zunehmend auf das konjunkturunabhängige Mietgeschäft, das einst ihr Computerimperium begründete.
Zudem - so erinnerte er sie an ihre eigenen Prognosen - würde die Gewinnkurve 1984 prozentual abflachen. Bereits im dritten Quartal 1983 fiel der Gewinn um "ein paar Pennies niedriger aus als erwartet", kommentierte das Wall Street Journal am 17. Oktober 1983 das Ergebnis. Zum Jahreswechsel 1984 fiel die Aktie und sank im ersten Halbjahr sogar einmal für wenige Stunden unter die 100-Dollar-Grenze.

Montag, 14. Februar 2011

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips (1)

1. Der Höhenflug (1)
Das konnte Börsen-Guru Irv Komanoff kaum fassen. "Noch nie habe ich in den vergangenen 49 Jahren bei der Beurteilung von IBM eine solche Einmütigkeit der Meinungen erlebt." Und das hatte für den Altmeister nur eins zu bedeuten: Wall Street irrt. (1)
IBMs Höhenflug begann 1982. Der Aktienkurs hatte sich vom August bis zum Oktober 1982 um rund 35 Prozent auf 80 Dollar hochgearbeitet, da präsentierte Barton Biggs, Dow-Jones-Experte von Morgan Stanley & Co. eine neue Prognose. Innerhalb eines Jahres werde der Kurs von Big Blue um weitere 50 Prozent auf 120 Dollar hochschnellen, prophezeite der Megastar. Der Wert der Aktie werde gar den Gewinn um den Faktor 15 übersteigen. (2) Von diesem Zeitpunkt an erklärten immer mehr Börsenmakler IBM zu ihrem Top-Favoriten. Sie machten sich gegenseitig "high". Robert Farreö von Merril Lynch empfahl den Computerhersteller ebenso wie Thomas H. Broadus Jr. von T. Rowe Price Associates, Douglas Loudan von Scudder, Stevens & Clark oder Heinz H. Biel von Janney Montgomery Scott. (3)(4) Sie alle sollte mehr als recht behalten. Bereits im Sommer 1983 hatten die Ereignisse Biggs' Big Blue-Tip überholt.
Die IBM-Aktie erreichte mit 127 Dollar ihre höchste Bedwertung und steigerte sich dann im Goldenen Oktober 1983 auf über 134 Dollar- "Der Markt fängt an, das Ausmaß von IBMs Macht zu begreifen", schwärmte Malcolm C. Wilson, Direktor der Provident National Bank. (5)

II. Zurück zur Zukunft - Big Blue's Blue Chips

Mit dem Ende des Antitrustverfahrens erlebte IBM an der Börse endlich wieder einen grandiosen Aufschwung. Die Kurse verdoppelten sich innerhalb eines Jahres. Die Gewinnerwartungen steigen nach oben. Selbst die anhaltende Hochzinspolitik kann langfristig den Höhenflug des Blue Chips nicht bremsen. Doch es gibt auch Kritiker. Denn IBM hat begonnen, ihr Geschäft völlig neu zu strukturieren, sie muss künftig mit anderen Maßstäben gemessen werden.

Donnerstag, 10. Februar 2011

II. Zurück zur Zukunft




I: 8.5 IBMs Griff zu den Sternen - Daten aus dem All (4)

Anfang 1984 waren 17 Nachrichtensatelliten in den USA in Betrieb. AT&T, RCA und Western Union besitzen je vier, SBS drei, Hughes Aircraft und Alascom je einen. Mitte 183 standen den Amerikanern 350 Satellitenkanäle zur Verfügung. Bis Ende 1984 sollen es 480 und 1987 knapp 1000 sein. Jährliche Einnahmen je Kanal: 1,5 bis zwei Millionen Dollar. Die amerikanische Genehmigungsbörse FCC gab sogar ihr Placet für 43 weitere Nachrichtensatelliten, die bis 1986 an den US-Himmel geheftet werden dürfen.
Einen nicht minder wachstumsträchtigen Markt stellt das Geschäft mit den professionellen Erdstationen dar. Mehr als drei Dutzend Firmen in der Welt stellen solche Satellitenempfangstationen und ähnliche Geräte her. Marktführer sind: Nippon Electric, Hughes Aircraft, Harris, Scientific Ameria - und IBM.
Eine Erdstation kann zwischen 100.000 und 500.000 Dollar kosten. 1983 wurden hier etwa 130 Millionen Dollar umgesetzt. 1991 sollen es bereits 900 Millionen Dollar sein. Mehr als 1000 Erdstationen wurden 1983 verkauft, 1985 werden es 1690 sein, und 1991 rechnet man mit 6653 Stationen.
IBM will überall mitmischen. Sie "hat mit einzigartiger Härte das Spiel des Marktes akzeptiert, das sie bestimmt, dem sie gleichzeitig aber auch gehorcht", charakterisieren doe Franzosen Simon Nora und Alain Minc in ihrer Studie "Die Informatisierung der Gesellschaft" das Quasimonopol IBM. Ob im Himmel oder auf der Erde - die Telekommunikationswelt ist ordentlich durcheinander geraten.
Die alten Strukturen brechen zusammen, machen neuen Platz - und damit auch der IBM, die nach der Niederschlagung des Antitrustverfahrens souverän ihren Weg zurück in eine großartige Zukunft nimmt.

Montag, 7. Februar 2011

I: 9.4 IBMs Griff zu den Sternen - Start ins Ungewisse

Dennoch haben die Satelliten eine große Bedeutung für die USA: in der Verbindung von Personal Computer und Mainframes. Mit Hilfe kleiner Parabolantennen soll der Kontakt geschaffen werden. Das britische Universalgenie Clive Sinclair hat bereits angekündigt, dass er bald mit einer Parabolantenne auf den Markt kommen wird, die weniger als 100 Dollar kostet. Heute liegt der Preis noch drei- bis fünfmal so hoch. Nicht nur langweile TV-, sondern auch brisante Computerprogramme lassen sich dann direkt in die Stuben der Amerikaner, der Japaner, aber auch der Europäer übertragen. Nicht nur das Fernsehen, sondern auch digitale Informationen (Daten und Programme) werden ubiquitär.
Schon gründete IBM im März 1984 mit der Wall-Street Firma Merrill-Lynch ein Gemeinschaftsunternehmen, das Börseninformationen über Satellit an PCs ausstrahlen wird. Die FCC hatte der SBS erlaubt, nicht nur TV-Programme direkt in die Wohnzimmer zu übertragen. sondern auch Daten - ein Punkt, der lange Zeit umstritten war.
Und so hat die Expansion am Himmel trotz aller Widrigkeiten längst begonnen. Das größte Geschäft erhofft man sich bei der Übertragung von Daten und Faksimile-Bildern. Hier sollen 1985 rund 1,2 Milliarden und 1991 etwa 2,8 Milliarden Dollar umgesetzt werden.

Mittwoch, 2. Februar 2011

I: 9.3 IBMs Griff zu den Sternen - Start ins Ungewisse

In Herbst 1982 schickte das damals noch als Dreigestirn aufgebaute Gemeinschafts-Unternehmen als erste Privatfirma der Welt mit dem Space Shuttle "Columbia" einen kommerziellen Satelliten in eine Erdumlaufbahn. Es war der letzte Flug des wiederverwendbaren Raumschiffs "Columbia" vor seiner gründlichen Generalüberholung im ersten Halbjahr 1983. An Bord des Space Shuttles waren übrigens auch fünf IBM-Spezialrechner vom Typ /4PI AP-101, die den Flug der Raumfähre überwachten.
Spektakulär sollte auch ein Projekt sein, das im Oktober 1984 gestartet werden sollte. Die Satellite Television Corp., ein Tochterunternehmen von Comsat, wollte im Herbst mit der direkten Fernsehübertragung via Himmel in den USA beginnen (DBS = Direct Broadcasting by Satellite). Fünf Kanäle waren gemietet worden - bei der SBS. Das als Pay-TV von Comsat gestaltete Satellitenjprogramm sollte über Parabolantennen mit einem Durchmesser von 60 bis 75 Zentimetern empfangen werden können. Doch das Projekt wurde gecancelt.
So erging es auch Inter-American Satellite Television und der britischen Firma New Satellite Television Ltd., die dem Pressegiganten Rupert Murdoch gehört. Im Mai 1983 hatten beide beschlossen, gemeinsam in das DBS-Geschäft einzusteigen. Sie mieteten bei der Satellite Business Systems fünf Kanäle. Preis: 75 Millionen Dollar. Andere Satelliten-Carrier mussten ebenfalls herbe Schlappen einstecken. Der Grund: In den USA liegen bereits soviele Fernsehkabel, dass sich eine Satellitenausstrahlung kaum noch lohnt.

Dienstag, 1. Februar 2011

I: 9.2 IBMs Griff zu den Sternen - Start ins Ungewisse


All das zeigt, wie wichtig der Computerriese diese Beteiligung nimmt. Schon gibt es Anzeichen dafür, dass IBM gerne als neuen Partner British Telecom (BT) aufnehmen möchte. Die beiden Unternehmen verstehen sich mehr und mehr als ideale Partner. Und BT wird der überragende Einfluss von IBM in diesem Gespann und in den USA nur recht sein. Denn je stärker der Gigant ist, desto schneller können die beiden ihre gemeinsamen Ziele verwirklichen: den Aufbau eines globalen Netzwerkes, das Europa und USA miteinander verbindet.
Dabei ist die SBS bereits IBMs zweiter Anlauf zum Himmel. Im Juli 1974 hatte der Rechnergigant bei der FCC die Erlaubnis beantragt, 55 Prozent der CML Satellite Corporation übernehmen zu dürfen. Zweiter Aktionär sollte mit 45 Prozent Comsat werden. Doch am 23. Januar 1975 wurde der Antrag abgelehnt. Allerdings - so die FCC - wolle man einer anderen Regelung wohlwollend gegenüberstehen.
Die "andere Regelung" hieß dann SBS, an der IBM damals 33,3 Prozent der Aktien hielt. Bis 1986 - so vereinbarten die ungleichen Drei - wollten sie zusammen 680 Mio. Dollar in die SBS investieren. Dies ist eine Summe, die bis 1986 wahrscheinlich um das Doppelte überschritten wird. Denn von Anfang an setzte der Carrier auf modernste Technologien. Kein Experiment war ihm spektakulär genug, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Montag, 31. Januar 2011

I: 9.1 IBMs Griff zu den Sternen - Start ins Ungewisse

Wenngleich die Satellite Business Systems kaum eine Chance hat, das Fernleitungsgeschäft von AT&T in den USA jemals ernsthaft zu gefähren, ist sie dennoch für IBM eine strategisch äußerst wichtige Waffe im Kampf mit dem Telefon-Giganten, der nicht minder ehrgeizig in das Computergeschäft eingreift.
Diese Rolle erkennen auch die Politiker, die mit aller Konsequenz die Schlacht der beiden Kolosse um den Weltmarkt der Supertechnologien in die Wege geleitet haben. Sie haben nichts mehr dagegen, dass IBM versucht, mehr und mehr die Kontrolle über die SBS zu gewinnen. Präsident Stephen B. Schwartz ist nicht nur Chef der SBS, sondern auch Vizepräsident der IBM.1983 war dies noch eine unmögliche Konstellation. Schon besitzt der blaue Riese 60 Prozent Anzeile, nachdem Comsat sich 1984 aus ihrem SBS-Engagement zurückzog. Die amerikanische Genehmigungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) hatte 1983 das Comsat-Monopol aufgehoben. Immer mehr Anbieter dürfen Telekommunikationsdienste über eigene Satelliten mit dem Ausland aufnehmen. Das verärgert nicht nur Comsat, die um ihre Einnahmen bangen muss, sondern vor allem manche der europäischen Postgesellschaften, die einmal mehr fürchten müssen, dass nun der Preiskrieg endgültig begonnen hat.
Zudem war Comsat ihr Investement in der SBS zu hoch - und zu unsicher. So kostete der SBS-Platz am Himmel bislang eine Milliarde Dollar. Alle Welt wartet nun darauf, dass auch der dritte Partner, die Versicherungsgesellschaft Aetna Life & Casualty, die Lust verliert.
Genau darauf scheint auch IBM zu spekulieren, die nach der Liberalisierung des Telekom-Marktes in den USA hier immer stärker auftrumpft. Sie versucht, die SBS mehr und mehr unter Kontrolle zu bekommen, um ihre eigenen Pläne damit zu verwirklichen. Im Vertrieb ist die Verbindung bereits sehr eng. Seit dem 10. Mai 1984 dürfen die Vertriebsbauftragten des Multis die Dienstleistungen der Satellitenfirma verkaufen. Dies war bislang verboten.


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Donnerstag, 27. Januar 2011

I: 8.3 IBMs Griff zu den Sternen - Daten aus dem All (4)

SBS wittert ihre Chance im Telefongeschäft: Schon ist ihr größter Shareholder auch ihr größter Kunde. "Die IBM wickelt über die Nachrichtensatelliten der SBS innerhalb ihres internen Fernsprechnetzes an jedem Arbeitstag 160.000 Ferngespräche ab. Im Laufe des Jahres begann die Gesellschaft damit, Geschäfts und Fernsprechdienste anzubieten. Außerdem wurden Verträge abgeschlossen, die Telekommunikationsdienste mit Großbritannien und Italien vorsehen", schreibt der Marktführer in seinem Geschäftsbericht 1982. Der IBMer Stephen B. Schwartz, der im Januar 1984 als Präsident der SBS inthronisiert wurde, sieht in der Zerschlagung des 'neuen' Erzrivalen AT&T "eine große Marktchance, die für die SBS bislang nicht bestand." Im September 1984 schickte er einen vierten Satelliten zum Himmel. 1986 wird ein weiterer folgen. Schon plant das Unternehmen, das 2.000 Menschen beschäftigt, zwei Drittel des Umsatzes mit dem ordinären Telefonbusiness. Bis Ende 1984 will die SBS ihren Umsatz auf 280 Millionen Dollar verdoppeln und 1989 rund eine Milliarde Dollar einfahren. Das geht aber nur, wenn sie ihre Präsenz vergrößert: von 28 auf 50 bis 200 US-Städte. Aber auch in das internationale Geschäft drängt die SBS. Im Juli 1984 schloss sie mit dem kanadischen Fernmeldemonopol Telecom Canada einen Vertrag, der Kommunikationsverbindungen zu dem nördlichen Nachbarn zum Ziel hat. Und seit 1982 laufen bereits Verhandlungen mit British Telecom. Via Satellit soll der Brückenschlag zum alten Kontinent vollzogen werden.



Mittwoch, 26. Januar 2011

I: 8.3 IBMs Griff zu den Sternen - Daten aus dem All (3)

»Vor drei, vier Jahren galten Satelliten als sehr, sehr attraktiv", meint gegenüber dem Wall Street Journal EDV-Chef Joseph T. Briphy von Travelers. Doch mit der Verlegung von Glasfaserleitungen, wie sie vor allem der Telefongigant AT&T in den USA betreibt, verlieren die Satelliten am Himmel zunehmend an Bedeutung.
Hinzu kommt, dass die Anwender das orbitale Angebot für etwas ganz anderes nutzen, als es ursprünglich geplant war. Statt als privates Netzwerk, das Firmencomputer zusammenschaltet, setzten die Anwender die SBS-Satelliten für normale Telekom-Dienste ein: für Telefonverkehr.
Und auf diesen Bedarf stellt sich das Unternehmen ein, seit 1982 offeriert die SBS ihre digitalen Leitungen auch für ganz normale Telefongespräche - 30 Prozent unter dem Preis von AT&T, die sich nach der am 1.1.1984 vollzogenen Zerschlagung von ihren 22 lokalen Telefongesellschaften trennen musste. Damit hatte AT&T die wichtigsten Zulieferer für das lukrative Fernleitungsgeschäft verloren, mit dem sie etwa 40 Milliarden Dollar Umsatz macht.

Montag, 24. Januar 2011

I: 8.3 IBMs Griff zu den Sternen - Daten aus dem All (2)

Fast 30 Jahre nach dem Sputnikschock, jenem Urknall der amerikanischen Weltraumfahrt, ist IBM zu 60 Prozent (ursprünglich 33,3 Prozent) an einer Satellitengesellschaft, der Satellite Business Systems (SBS), beteiligt, die 1984 vier Hochleistungssatelliten besitzt.
1975 hatte IBM gemeinsam mit dem Satellitenbetreiber Communications Satellite Comsat und der Versicherungsgesellschaft Aetna Life & Casualty die Satellite Business Systems in McLean (Virginia) gegründet. Die Idee des Unternehmens war es ursprünglich, amerikanischen Großunternehmen neben der Datenfernverarbeitung Express-Telefax und Videoconferencing anzubieten. Sie sollten die digitalen Satellitenkanäle für den Aufbau privater Kommunikationsnetze sein.
Doch es kam ganz anders. Nachdem die SBS 1981 mit der Verfügbarkeit ihres ersten Satelliten 1981 endlich ihre Dienste anbieten konnte, zögerten die Großanwender. Sie nutzten kaum das Billigangebot der SBS für High-Speed-Data oder Telefax, geschweige denn für Videokonferenzen. Firmen wie U.S. Travelers Corp., die das himmelstürmerische Telekom-Angebot nutzen, um gewaltige Datenmengen zwischen zwei Rechenzentren auszutauschen, blieben die Ausnahme. Mit einem Verlust von 123,1 Millionen Dollar bei einem Umsatz von 141,8 Millionen Dollar in 1983 war die SBS bislang alles andere als erfolgreich.

Sonntag, 23. Januar 2011

I: 8.3 IBMs Griff zu den Sternen - Daten aus dem All (1)

IBM und viele andere Giganten waren schon immer fasziniert gewesen von den kolossalen Dimensionen des Weltraums.
So niederschmettern der Sputnick-Schock für die USA, IBM und deren gemeinsame Verbündete war, so euphorisch wurde 1965 der Fernmeldesatellit Early Bird begrüßt, der 1985 seinen 20. Geburtstag feiert. Nicht nur die Postmonopole und deren Lieferanten versprachen sich von der Pionierleistung am Erdenhimmel die Erfüllung hochgesteckter Ziele.
Die Fernsehgesellschaft American Broadcasting Corp. (ABC) wollte einen eigenen, privaten Satelliten an den Himmel heften, um den amerikanische Way of Life vor den Bildschirmen zu deutlich niedrigeren Kosten zu kultivieren. Die Visionen aus der Nachrichtentrommel, die da nun am Himmel prangte, verlockten selbst ehrwürdige Elektrogiganten zu grandiosen Spekulationen. So sah General Electric in dem gerade flügge gewordenen Early Bird den Vorboten für weltumspannende Computernetzwerke, die sich über dem Himmel zusammenschalteten. Als 1968 bei den den Olympischen Spielen in Mexico den Menschen die Fernsehübertragung via Satellite vor Augen geführt wurde, war ein weiterer Meilenstein in der Kommunikation der Kontinente erreicht.
Unbemerkt von diesen telegenen Spektakeln vollzog sich der Einsatz der Satelliten in der Datenverferarbeitung. General Electric errichtete mit Mark III das damals größte Rechnerverbundsystem der Welt. Die IBM erkannte ebenfalls die Möglichkeiten der Satellitentechnik, hatte aber ganz andere Pläne als GE. Sie wollte damit vor allem die Kommuniukationskosten senken, die damals - so glaubte man - einer schnellen Verbreitung am meisten entgegenstanden.

Samstag, 22. Januar 2011

I: 8.2 IBMs Griff zu den Sternen - Die Himmelsstürmer

Die neue Technik zog sehr schnell auch die Fernmelde-Welt in ihren Bann. Bald vereinigten sich die Telefongesellschaften und Postmonopole viele Länder zu einem Konsortium, das dieser neuen, himmelsstürmerischen Technologie zum internationalen Durchbruch verhelfen sollte: Die Kommunikation von Kontinent zu Kontinent, von Land zu Land über Satellit.
Der Name der Vereinigung: International Telecommunication Satellites (Intelsat). Heute sind 108 Nationen daran beteiligt, die sich auf dem Fernmeldesektor zu einem internationalen Satelliten-Monopol zusammengetan haben.
Der ursprünglichen Absprache zufolge darf jeder Staat für den internationalen Fernmeldeverkehr in seinem Land nur an eine einzige Organisation die Satelliten-Sende-Erlaubnis vergeben. Lizenznehmer in Europa waren klassischerweise die Postgesellschaften. Sie sollten die fernmeldehoheitlichen Rechte der Nationen vor dem Einmarsch privater, kommerzieller Telekommunikationsriesen wie ITT schützen. 1925 hatte International Telephone and Telegraph einen Großteil der Auslandstöchter von AT&T übernommen, die nur noch in den USA tätig sein durfte. Auch das Satelliten durfte AT&T nicht direkt wahrnehmen. Sie durfte zwar Leitungen mieten, aber selbst keine Satelliten besitzen. Dies war ihr aufgrund eines Beschlusses des amerikanischen Parlamentes verboten worden. Sie musste dies einer Firma überlassen, die bis heute Hauptaktionär von Intelsat ist: das amerikanische Privatunternehmen Communications Satellite Corp. (Comsat). Mitte der siebziger Jahre wickelte dieser Carrier 97 Prozent alle via Satellit geführten Auslandsgespräche von und zu den USA ab. Mehr als die Hälfte des internationalen Telefonverkehrs in Amerika erfolgte über dessen Satelliten.
Selbst AT&T musste also Satellitenleistung bei Comsat mieten, die alsbald nicht nur größter Kunde war, sondern auch der größte Auftraggeber für Intelsat. Dreiviertel des gesamten Intelsat-Umsatzes kam damals von American Telephone & Telehraph (AT&T), der auch nach der am 1. Januar 1984 vollzogenen Zerschlagung mit einem Anlagevermögen von 34 Milliarden Dollar nach wie vor reichsten Telefongesellschaft der Welt.
Die Comsat Corp. durfte wiederum nicht direkt in das Geschäft mit den Endbenutzern einsteigen. Es herrschte also eine von der US-Regierung gewollte Patt-Situation, die beiden Unternehmen keineswegs gefiel. Immer wieder vcersuchten sie, die Vorschriften zu ändern. Und sie hatten schließlich Erfolg.
Seit Anfang der achtziger Jahre darf AT&T eigene Satellitenkeitungen für Telefon und Datenübertragung anbieten und weitervermieten. Und Comsat fand bereits Mitte der siebziger Jahre einen Weg, wie sie langsam aber sicher in das Geschäft mit den Endbenutzern einsteigen konnte - über AT&Ts Erzrivalen IBM.

Freitag, 21. Januar 2011

I: 8.1 IBMs Griff zu den Sternen - Pieptöne aus dem All

Die IBM fühlte sich in ihrer multinationalen Ehre zutiefst gekränkt. Mit einem einzigen Federstrich zerstörte sie kurzerhand den aufwendigen Zeichentrickfilm, dem sie beim legendären Technicolormaler Walt Disney in Auftrag gegeben hatte. Völlig zerrüttet verzichtete der Computerriese auf jene halbe Million Mark Vorschuss, den er ein Jahr zuvor an die Disneyländer gezahlt hatte. Das war das Ende einer gigantischen Illusion, aus der die Trickkünstler die phantastischen Perspektiven eines neuen Zeitalters schmieden sollten.
Der Anlass für das missgestimmte Streichkonzert waren ein paar Pieptöne aus dem All. Ein kleiner Ball aus Gold und Magnesium, der mit einer Geschwindigkeit von 30.000 Kilometern in der Stunde um die Erde raste, lädierte das ehedem so starke Selbstbewusstsein der IBM so sehr, dass sie den Glauben an die heile Disneywelt verlor.
Ohnmächtig musste der "Gigant unter den Giganten" (Jean-Jacques Servan-Schreiber) mitansehen, wie die Russen mit ihrem Sputnik-Start am 4. Oktober 1957 die USA austricksten.
Die Blamage saß tief. Der Glaube der verbündeten Nationen an die Technologiemacht USA war erschüttert. Die IBM - gewohnt sich grundsätzlich mit dem Erfolg zu identifizieren - nahm die Schlappe geradezu persönlich. Mit Recht. Sie war nämlich 1956 von der amerikanischen Akademie der Wissenschaften beauftragt worden, die gepanten Raumfahrtprojekte der jungen Nation durch ein mächtiges Computerzentrum zu unterstützen. Und nun gehörte sie zum engsten Kreis der bis auf die Knochen blamierten Verlierer.
Als dann1965 mit Early Bird der erste kommerzielle Nachrichtensattelit über der Erde stand, der den Kontakt zwischen den USA und Europa auf 240 Fernsprechkanäle drastisch erweiterte, brach eine neue Ära an. Die Spekulationen mit der Zukunft kannten keine Grenzen mehr.

Donnerstag, 20. Januar 2011

I: 8.0 IBMs Griff zu den Sternen

»In nahezu allen Belangen erinnert das bevorstehende Gefecht zwischen den Kolossen AT&T und IBM an den Kriegsschauplatz zweier Nationen«, meinte 1978 der Branchenguru Charles P. Lecht in seinem Buch »The Waves of Change«. Schon reicht der globale Krieg bis zu den Sternen, zu denen IBM bereits in den fünfziger Jahren aufbrach. Was als Technologierennen zwischen den USA und der UdSSR begann, mündet nun in den Kampf zweier amerikanischer Privatunternehmen, die das Geschäft mit der Telekommunikation suchen. Während AT&T ihr Heimatland mit einem dichten Netz von Glasfaserkabeln überziehen will, greift IBM zu den Sternen: Sie will sich ihre Basis am Himmel schaffen, im Satellitengeschäft.

Mittwoch, 19. Januar 2011

I: 7.2 Teufel gegen Beelzebub

Die hiesigen Postgesellschaften, die allein in den siebziger Jahren die historische Chance gehabt hatten, das Schicksal Europas und seiner Technologiefirmen in einer konzertierten Aktion zu bestimmen, haben versagt. Jetzt ist es zu spät. Das Zusammenwachsen von Nachrichtentechnik und Informationsverarbeitung ist zu weit fortgeschritten.
"Die einzige 'InternationaleÄ, die auf der Basis von Gleichen zu Gleichen mit IBM in den Dialog treten kann, ist die Allianz der Fernmeldeorganisationen." So postulierten noch 19z78 dier beiden Autoren Alain Minc und Simon Nora in ihrer vor allem in Frankreich berühmten Studie "Die Informatisierung der Gesellschaft". Doch bis heute ist es nicht zu diesem Dialog gekommen. Und nun ist es zu spät. Stattdessen finden Einzelgesprächen zwischen IBM und den Postgesellschaften statt. Und der Computermulti muss sich einzig und allein mit AT&T auseinandersetzen. Die Fernmeldeorganisationen können nur noch entscheiden, ob sie in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten den Beelzebub IBM durch den Teufel AT&T austreiben wollen. Oder umgekehrt. Genau dies bereitet der Fernmeldewelt große Sorgen. Meint Anfang August 1984 Frankreichs Postminister Louis Mexandeau gegenüber "Business Week"; Europa darf nicht erlauben, dass solche multinationale Giganten wie IBM mit ihren eigenen Standards die einzigen echten Kommunikationsnetzwerke kreieren. Sie würden ihre Wettbewerber in ein ruinöses Rennen mit der Kompatibilität stürzen."
Doch lässt sich dies wirklich noch verhindern? Haben die nationalen Computerhersteller und Amtsbaufirmen überhaupt noch irgendeine andere Chance, als sich mit einem der Giganten wie IBM und AT&T zu arrangieren? Sie müssen sich wenigstens einen dieser beiden stärksten Anbieter zum Freunde machen, die ihrerseits die in Einzelstaaten zerstückelte Welt Europas längst als integraler Bestandteil ihres globalen Plans betrachten können.
IBM und AT&T wissen, dass sie heuite unter sich den Weltmarkt aufteilen müssen, wenn sie in den neunziger Jahren der japanischen Herausforderung begegnen wollen. Denn die fernöstliche Supermacht hat ihre Kraft noch längst nicht voll entfaltet. Doch deren Ziel ist bekannt: in der kommenden Dekade wird Japan mit aller Macht den Griff zur Weltherrschaft im Markt der Supertechnologien wagen.
Nur mit Europa als Verbündeten können IBM und AT&T diesen Angriff Japans auf den Weltmärkten abwehren.



Dienstag, 18. Januar 2011

I: 7.1 Teufel gegen Beelzebub

Europa befindet sich in der Entscheidung: Kann irgend etwas den Alten Kontinent noch aus der Umklammerung durch IBM und AT&T retten? Eines ist klar: Würde alles über den Markt entschieden, so würde das Informationszeitalter in Europa - und somit auch weltweit - von dem amerikanischen Duopol regiert.
Der Zwiespalt kennzeichnet die Szene: Da setzen sich Postgesellschaften, nationale Computerhersteller und Amtsbaufirmen zusammen, um gegen IBM eigene Normen zu erlassen. Gleichzeitig fürchten sie AT&T, das jedes Machtvakuum auszufüllen sucht.
Was soll man tun? Ist Europa nicht zur Kooperation mit IBM und AT&T verurteilt? Oder können uns vielleicht die Japaner als Vorbild dienen?
Diese setzen in ihrem Inselstaat voll auf eine Liberalisierung des Fernmeldemonopols. Wenn alles gutgeht, wird Nippon Telegraph & Telephone (NTT) mitsamt seinen 330.000 Mitarbeitern ab 1. April 1985 in den freien Markt entlassen.
Die Fernmeldeorganisation, die in den zwanziger Jahren noch eine Tochtergesellschaft von American Telephone & Telegraph war, kann dies getrost tun. Denn sie errichtet derzeit das modernste Netzwerk der Welt in einem geschlossenen Markt. Sie braucht weder IBM noch AT&T zu fürchten. Und auch nicht die vier japanischen Konsortien, die sich bereits gebildet haben, um gegen NTT mit eigenen Netzwerken zu konkurrieren.
IBM Japan Ltd., einer der wichtigsten Lieferanten von NTT und deren supermodernem Information Network System (INS), hatte ebenfalls ihr Interesse an einem eigenen Netzwerk angekündigt, diese Absicht jedoch vorläufig zurückgezogen. Denn die Japaner diskutieren zur Zeit heftig, ob sie einem Ausländer erlauben sollen, alleiniger Eigentümer eines Netzes zu sein.
Die Technologiemacht Japan sperrt ganz einfach gefährliche, ausländische Wettbewerber aus. Ist dies auch ein Weg für Europa? Kann sich der alte Kontinent auf diesem Weg der Überfremdung durch IBM und AT&T erwehren?
Wohl kaum. Zu unterschiedlich sind die Interessenlagen in den einzelnen Staaten, zu sehr weichen auch die Auffassungen in den einzelnen Ländern voneinander ab, als dass es zu einer einheitlichen Konzeption kommen könnte. Es fehlt hier an einer starken, einigenden Kraft wie dem japanischen Ministerium für Handel und Industrie (MITI), das die Normen auf dem fernöstlichen Inselstaat setzt und die einheimische Industrie kompromisslos zur Zusammenarbeit verpflichtet.

Montag, 17. Januar 2011

I: 6.2 IBM - normativ und kooperativ (Teil 2)

Doch der Computergigant weiß, dass durch die Verschmelzung von Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik ein Supermarkt der Erwartungen entsteht, den er allein nicht mehr erfüllen kann. Deshalb sucht er die Kooperation auf allen Ebenen:
"IBM bedient sich derzeit mit aller Macht externer Ressourcen, um innerhalb der nächsten fünf Jahre die Kontrolle über sämtliche neue Wachstumsmärkte zu erlangen, in denen sie bislang unterrepräsentiert ist", meinte David N. Martin, Präsident von National Advanced Systems, im Oktober 1983 gegenüber der Düsseldorfer "Wirtschaftswoche". "Sie sucht dabei jede Form der Zusammenarbeit, auf technologischem Gebiet ebenso wie im Marketing."
Dieser Wille zur Kooperation ist so stark, dass IBM sogar bereit ist, ihre normative Kraft auch einmal losgelöst von direkten, wirtschaftlichen Zielen kooperativ einzusetzen.
So formierte sich in den USA im April 1984 auf Anregung des amerikanischen Wirtschaftsministers Malcolm Baldrige ein Gremium von 15 Firmen, das auf freiwilliger Basis Standards für eine offene Computerkommunikation festlegen will. Neben Hewlett-Packard, Digital Equipment, Honeywell Informations Systems und NCR wirkt IBM mit an diesem Projekt, das genau dieselben Ziele verfolgt wie das Gespann der zwölf europäischen Firmen: die Verwirklichung des OSI-Modells der International Standardization Organisation. Zwar hält IBM diese Bemühungen insgeheim für "ideaistisch", doch sie konnte sich kaum dem Aufruf des Politikers entziehen: "Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Computerkompatibilität. Große und kleine Firmen sind daran beteiligt. Dies lässt vermuten, dass die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Regierung im vollen Umfang funktioniert, besonders auf den Gebieten der Hochtechnologien, die enorme Bedeutung für die Weltwirtschaft haben. (2)
Und unter dem Namen T-Link stellte BR Merlin, ein für den Bereich "Büroautomation" zuständiges Tochterunternehmen von British Telecom, einen Kommunikationsstandard vor, auf dessen Basis Personal Computer unterschiedlichster Hersteller miteinander verbunden werden können- Dieses Protokoll wird unter anderem unterstützt von ICL, Apple - und IBM. (3)
Dass IBM ihre Rolle als treibende und auch vereinigende Kraft begriffen hat, zeigt ihre Bereitschaft, sich an dem von der Europäischen Gemeinschaft initiierten Forschungsprojekt E.S.P.R.I.T. (European Strategic Project for Research in Information Technologies) zu beteiligen, das den Technologieherstellern der Alten Welt mit 1,3 Milliarden Dollar EG- und Privatgeldern den Weg in die Zukunft ebnen soll. (4) Ende Juli 1984 stimmte die EG-Kommission, die selbst die Beteiligung IBMs gewünscht haben soll, dem Ansinnen des Amerikaners zu und erlaubte der IBM - neben ITT - als den beiden einzigen Nicht-Europäern die Teilnahme an den langsam anlaufenden Forschungs-Projekten.
Doch dieser Wunsch stößt bei der Mehrzahl der beteiligten Europäern keineswegs auf Gegenliebe. Denn die EG-Kommission befindet sich damit im Widerspruch zu den ursprünglichen ESPRIT-Ambitionen.
Ziel des Forschungsprojektes war es bislang - laut EG-Kommission - "für die grundlegenden Technologien zu sorgen, die die europäische Industrie benötigt, um im Wettbewerb mit der japanischen und amerikanischen Industrie bestehen zu können." Hersteller mit europäischer Abstammung sollten im Bereich der Elektronik, Informatik und Telekommunikation bis 1989 an diversen Gemeinschaftsprojekten Grundlagenforschung im vorwettbewerblichen Bereich betreiben. Strittig war nun, ob IBM Europa mit ihren 100.000 europäischen Mitarbeitern, ihren 26 Fertigungsstätten auf dem Alten Kontinent, ihren zehn Milliarden Dollar Umsatz, ihrer Steuermilliarde, ihrem europäischen Management nun ein amerikanisches Unternehmen ist oder nicht.
Anfangs war IBM ausgeschlossen gewesen, durfte auch nicht an den Voruntersuchungen für ESPRIT teilnehmen. Trotz seiner 100 000 in Europa beschäftigten Mitarbeiter galt der Gigant nach wie vor als amerikanisches Unternehmen. Doch es war sehr bald fraglich, ob in der EG nicht mit zweierlei Maß gemessen werde, wenn IBM ausgesperrt bliebe: Denn die ESPRIT-Teilnehmer hatten längst zarte Bande mit dem außereuropäischen Ausland geknüpft:
- Philips kooperiert mit AT&T,
- AT&T ist Großaktionär bei Olivetti,
- Siemens arbeitet mit Fujitsu und IBM zusammen,
- ICL Ist liiert mit Fujitsu, AT&T und dem kanadischen Telefonbauer Mitel,
- der französische Staatsbetrieb Compagnie des Machines Bull ist nach wie vor mit seinem früheren Hauptaktionär Honeywell verbunden und schloss über ihn einen Vertrag mit Nippon Electric Corp. (NEC) über die Lieferung von Supercomputern,
- das italienische Telefonmonopol STET verhandelt mit IBM über eine Zusammenarbeit.
Fremdbestimmt durch ihre außereuropäischen Kooperationen sind somit auch die drei Teilhaber eines Gemeinschaftslaboratoriums auf dem Gebiet "Expertensysteme", das die drei europäischen Firmen ICL, Siemens und Compagnie des Machines Bull 1983 gründeten. Eine rein europäiche Lösung ist längst nirgends mehr in Sicht.
Lästert ein Branchenkenner: "Viele europäischen Hersteller leben längst in Bigamie mit japanischen udn amerikanischen Herstellern. Das hindert sie aber nicht daran, Moral zu predigen. Das sind doch Pharisäer."
Mit der Teilnahme IBMs am ESPRIT-Projekt ist der Computerriese voll in Europa integriert. Und das ist gut so. Denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass IBM eines der ganz wenigen multinationalen Unternehmen der Welt ist, dass die moralische Kraft zu einer ehrlichen und langfristig angelegten Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Unternehmungen der unterschiedlichsten Art und Herkunft besitzt. Die Europäer können davon nur lernen. Statt gegen IBM zu lamentieren, sollten die Wettbewerber die ausgestreckte Hand des Multis annehmen und dessen Verantwortungsbewusstsein für diese Branche dort testen, wo man allein IBMs guten Willen testen kann: in der Kooperation.
Versagt IBM allerdings, dann ist es an der Zeit, dass sich alle Gerichte dieser Welt zusammentun und die Zerschlagung des Konterns beschließen.

Sonntag, 16. Januar 2011

I: 6.1 IBM - normativ und kooperativ (Teil 1)

Trotz aller Bemühungen der Wettbewerber, IBM in ihrem Expansionsdrang zu zähmen, steht eins fest: Der Marktführer gibt nicht auf, seine Interessen durchzusetzen. Und schon deutete sich Ende Juli 1984 ein erster Erfolg an. Wie bereits erwähnt, will IBM gemeinsam mit dem Staatskonzern British Telecom, der im Hernbst 1984 privatsiert werden soll, ein Informationsnetzwerk in Großbritannien errichten. Und dieses Netzwerk wird aller Voraussicht nach auf SNA basieren.
Kalkulation von British Telecom (Umsatz 1983/84: 6,87 Milliarden Pfund): etwa die Hälfte ihrer Geschäftskunden auf der Insel sind IBM-Anwender. Gleichzeitig will BT, wenn die Privatisierung abgeschlossen ist, ihre Aktivitäten bis nach USA hin ausdehnen. Wer könnte dabei ein besserer Partner sein als IBM?
Enorme Vorteile würde auch der Computergigant aus solch einer Kooperation ziehen. Damit wäre IBM nicht nur als normative Kraft in einem bislang ausschließlich von Telekommunikationsunternehmen beherrschten Markt akzeptiert, sondern selbst Netzbetreiber in Europa. Dieses Ziel hat sie in den USA bereits mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Satellite Business Systems im Jahre 1975 erreicht, das digitale Übertragungsdienste in direkter Konkurrenz mit AT&T anbietet.
Noch zwei weitere Kooperationen in den USA zielen in Richtung Netzbetrieb":
- Im März 1984 verkündete der blaue Riese, dass er gemeinsam mit der Wall Street Firma Marrill Lynch & Co. ein Informationsnetzwerk für Börseninformationen errichten wird, das von Personal Computern über das Satellitennetz angesteuert werden kann.
- Im Februar 1984 gründete der Computerriese mit dem Fernsehsender CBS und dem größten Versandhandelshaus der Welt, Sears & Roebuck, ein Gemeinschaftsunternehmen, das in den USA Videotex (Bildschirmtext) anbieten soll. Prompt stiegen die Aktien der drei Partner an der Wall Street und sogar der Wettbewerb frohlockte: "Wir sind hocherfreut darüber, dass IBM in Videotex einsteigt. Denn die Branche leidet darunter, dass einige Leute nicht an sie glauben", meint stellvertretend für die Wettbewerber Gary Arlen, Herausgeber eines Informationsdienstes zum Thema Videotex. (1)
Damit wird eins deutlich: IBM setzt nicht nur die Normen, sondern ihr Name macht erst die Märkte, für die ihre Standards gelten. Und dieser Wirkung wird sich keiner entziehen können, der mit oder gegen IBM Geschäfte machen will.

Freitag, 14. Januar 2011

I: 5.3 Mit ISO gegen SNA (Teil 5)

Sollte IBM tatsächlich solch ein Vertrag gelingen, dann würde SNA zum ersten Mal ein öffentlicher Standard. Damit hätten die Europäer die einzigartige Chance, den Computergiganten zu einer sehr schnellen Offenlegung seiner Schnittstellen zu zwingen. Dennoch würde SNA die nationaleuropäischen Hersteller auch weiterhin plagen. Meint Dr. Reinhard Veelken, Manager im Unternehmensbereich Datenverarbeitung von Siemens: "Wir möchten nicht, dass SNA ein Standard wird. Denn jedesma, wenn es gerändert wird, weiß dies IBM zwei Jahre voraus." (3)
Die Bemühungen der europäischen Hersteller, im Verein mit AT&T die Expansion von IBMs normativer Kraft in den Bereich der öffentlichen Netze abzuwehren, haftet indes nach Meinung von Insidern "etwas Rührendes" an, wenngleich sie bereits erste Erfolge verzeichnen können. So darf IBM auf Intervention des britischen Computerherstellers ICL bei dem Projekt "Cashless Shopping", das sie gemeinsam mit British Telecom im Auftrag des Committee of London Clearing Banks (CLCB) durchführt, nicht ihr SNA einsetzen. (4)
So soll sichergestellt werden, dass auch andere Hersteller Produkte für das Netzwerk anbieten können, ohne abhängig von IBM-Standards zu sein. Zur Kontrolle des Projektes - und vor allem auch der IBM - wurde ein unabhängiges Beratungsteam installiert, das die Gemeinschaftsarbeiten beobachtet. Insider werten dies als einen Tribut an ICL, denn die Gesellschaft war sehr enttäuscht, dass sie nicht selbst den Auftrag erhalten hatte.
Und auch in der Bundesrepublik scheiterte IBM mit dem Versuch, den neuen Postdienst "Bildschirmtext" auf der Basis von SNA zu verwirklichen.

Donnerstag, 13. Januar 2011

I: 5.3 Mit ISO gegen SNA (Teil 4)

"AT&T überflutet die Standardisierungsgremien mit Leuten. Sie wollen dadurch einen Fuß in den internationalen Markt bekommen", meint Joseph Bagley, Marketingmanager bei Hewlett-Packard für Optoelektronik. "Am Ende setzt jedoch der Markt die Standards", also IBM. Und die tut natürlich alles, um ihre Interessen zu verteidigen: "IBM wird eine führende Rolle bei den Arbeiten für die Standardisierung der Kommunikationsmethoden und -protokolle übernehmen", orakelte 1979 Butler. "Dabei wird sie gleichzeitig hoffen, dass die Fortschritte nicht allzu dramatisch sind."
Sie versucht aber auch, Postgesellschaften in Europa dazu zu überreden, SNA in den öffentlichen Vermittlungsnetzen einzusetzen. Und seit dem 2. August 1984 wird ihr dies viel leichter fallen als je zuvor. Denn jetzt ist sie offiziell eine Verpflichtung zur Offenlegung der Schnittstellen eingegangen, wenngleich sie bislang keine Zusagen darüber gemacht hat, in welchem Zeitraum nach Ankündigzng sie dies tun will. "Wenn nur eine PTT SNA unterstützt, würde dies für IBM einen Riesenschritt bei ihrem Vormarsch in die Fernmeldemärkte bedeuten", meinen die Journalisten John W. Verity und Paul Tate in der Fachzeitschrift "Datamation".

Mittwoch, 12. Januar 2011

I: 5.3 Mit ISO gegen SNA (Teil 3)

Tausende von Firmen in aller Welt, hunderte allein in der Bundesrepublik haben in den siebziger Jahren begonnen, auf der Basis von SNA und eigene, private und somit exklusive Rechnernetzeaufzubauen, die über das öffentliche Leistungsnetz zusammengeschlossen werden. Sie haben Milliarden in solche Netzwerke investiert, die auf der Basis der Industrienorm Systems Network Architecture (SNA) funktionieren. Nicht die Post, sondern die privaten Endgeräte, also Computer, steuern diese Netze.
Gegen SNA wollen nun die europäischen Hersteller eine eigene Norm gemäß gemäß dem ISO-Modell OSI entwickeln, um damit IBM mehr in ihre Richtung zu zwingen. Und in dem zwischen der EG-Kommission und IBM vereinbarten Kompromiss, der die Grundlage für die Aussetzung der 1980 initiierten EG-Klage darstellt, hat sich der Marktführer bereit erklärt, Verträglichkeit zwischen SNA und OSI herzustellen. Zudem will er künftig die Schnittstellen offenlegen. Dies alles geschieht sehr zur Freude von AT&T und deren europäischen Partnern, die darin eine Chance wittern, die IBM-Norm SNA zu knacken. Der amerikanische Telefonriese setzt voll und ganz auf das ISO-Modell, das auch Vorbild beim Zusammenschluss der Computernetzwerke von AT&T und ICL ist.

Dienstag, 11. Januar 2011

I: 5.3 Mit ISO gegen SNA (Teil 2)

Auf weltweiter Basis ist hierfür die Internationale Standardisierungs-Organisation (ISO) verantwortlich, in der alle namhaften Computer- und Fernmeldefirmen mitwirken. Die ISO entwickelte seit 1977 ein Modell für die Open Systems Interconnection (OSI), bei dem offene Standards auf sieben Ebenen festgelegt werden. Doch bei der Ausfüllung der sieben Schichten mit exakt definierten Normen sind die Beteiligten noch nicht über die dritte Ebene hinausgekommen. Der Grund heißt IBM, die lange vor der ISO begann, einen eigenen Standard zu verwirklichen.
1974 kündigte IBM ihre Systems Network Architecture (SNA) an. Damals nur ein Konzept (wie das OSI-Modell), entwickelte es sich sehr schnell zu einem Kommunikationsstandard, der mittlerweile weltweit in unterschiedlichen Ausbaustufen von 60.000 Unternehmen, davon 20.000 in Europa, adaptiert wurde. Millionen von Endgeräte - Bildschirmterminals, Personal Computer, Großrechner - sind bei diesen Anwendern auf die IBM-Norm abgestimmt. Und diese Kunden stellen etwa 50 Prozent des Weltmarktes. IBMs Kommunikationsarchitektur ist nur mit sehr vielen Einschränkungen vergleichbar mit dem Schichtenmodell der ISO.