Montag, 30. März 2009

I: 4.4 Der kategorische IBMperativ

Schaut man sich die Vergangenheit an, so basierte IBMs Marktverhalten nach Meinung des Amerikaners Howard Andcerson, Präsident der Marktforschungsfirma Yankee Group, schon immer auf zwei kategorischen Imperativen, die jedem Mitarbeiter dieses Unternehmens sorgfältig eingehämmert werden, deren Durchsetzung aber von den Telekommunikationsbehörden ständig behindert wurde:
1. Erlaube niemals, dass sich irgendjemand in Dein Verhältnis zu Deinen Kunden einschaltet.
2. Erlaube niemals, dass irgendjemand sich zwischen IBM und ihrem Wachstumsmarkt einmischt.
Genau diesen Imperativen widersprach in den siebziger Jahren zum Beispiel der Monopolbetrieb AT&T, dessen überaltertes Telekommunikationsnetz IBMs Wachstum gefährdete. Berichtet Anderson: "Das AT&T-Netz ist hervorragend geeignet für das, was es täglich übertragen muss: für Sprache. Wenn die Verbindung etwas schlecht sein sollte, spricht man einfach etwas lauter. Aber das AT&T-Netz ist miserabel, wenn es um Vermittlung von Daten geht."
Andersons Betrachtungen und das, was sich daraus für IBMs Imperative ergibt, gelten nun natürlich nicht nur für AT&T, sondern für alle Postnetze. In der Tat: Daten kann man nicht einfach lauter senden, wenn die Vermittlung schlecht ist. Und damit sind wir genau bei dem Phänomen, nach dem sich nach Meinung der IBM überall sehr unvorteilhaft in die Beziehung zwischen ihr und ihren Kunden einschaltet: die Fernmeldeorganisationen.
Rund 80 Prozent aller Computer in den USA sind heute in irgendeiner Form bereits an Übertagungsleitungen angeschlossen. Millionen von Personal Computern sollen in den achtziger Jahren ebenfalls telekommunikativ erschlossen werden. Allein aus diesen Gründen ist IBM sehr daran interessiert, einen möglichst preiswerten und hohen technischen Kommunikationsstandard durchzusetzen.
"IBMs Zukunft ist unauflöslich mit der Verfügbarkeit von billiger Datenübertragung verbunden", meint Howard Anderson. Und Frank T. Cary, Vorgänger von John R. Opel als Chief Executive Officer, erklärte 1980 gegenüber der New York Times: "Die wichtigste Aufgabe besteht darin, die Kommunikationskosten zu senken."
Mit der Beendigung des Antitrust-Verfahrens gegen AT&T hat sich die Lage nun völlig geändert. Nun ist der Telefonriese, der selbst in das Computergeschäft einsteigt, ebenfalls an einer Erneuerung der Telekommunikationsnetze brennend interessiert, nicht nur in den USA, sondern weltweit.
Dadurch wird sich die Veränderung der wohlgeordneten Telekommunikationslandschaft in den hochindustrialisierten Staaten der Erde, die diese bislang in weitgehender Unabhängigkeit voneinander aufgebaut hatten, weiter beschleunigen. Denn nun ist das Aufeinanderprallen zweier bislang streng isolierter Machtblöcke unausweichlich.
- auf der einen Seite die Telekommunikation mit einem Weltmarkt von rund 300 Milliarden Dollar, in dem 1983 allein 60 Milliarden Dollar in Fernmeldetechnik investiert wurde und der zu 70 Prozent von nationalen Postgesellschaften beherrscht wird.
- auf der anderen Seite die Informationsverarbeitung mit einem Weltmarkt von über 100 Milliarden Dollar im investiven Bereich (ohne die Personalkosten bei den Anwendern), der zu 95 Prozent von multinational organisierten Unternehmen bestimmt wird.
Diese beiden Machtblöcke nähern einander immer schneller und stellen alles in Frage: "Gedanken über eine Deregulierung der Märkte und über das Ende der Monopole, die vor wenigen Jahren noch als Häresie behandelt wurden, werden nun zu Aufgaben der öffentlichen Politik erhoben", analysiert Roberte Sageman, Chef von AT&T International, der Auslandstochter des amerikanischen Telefongiganten.
Schon entwickelt sich ein Wirtschaftskrieg, in den alte und neue Wettbewerber, Telefonbaufirmen, Netzbetreiber und Computerhersteller aller Nationen verwickelt sind. Auf dem Alten Kontinent, dem zweitgrößten Technologiemarkt der Welt, wird die Schlacht entschieden. Wer diesen Markt besitzt, beherrscht die ganze Welt. Und deswegen unternehmen die beiden Industriegiganten IBM und AT&T die größten Anstrengungen, um Partner zu gewinnen. Während sich IBM europäischer gibt als die Europäer, schmückt sich AT&T mit zwei der nobelsten Firmen innerhalb der EG, mit Philips und Olivetti.
Gestützt auf eine starke europäische Basis werden sich die beiden Riesen dann auf den Weltmärkten einen gnadenlosen Machtkampf liefern - zum Schrecken der Wettbewerber und zum Wohl der (längst) Vereinigten Staaten von Amerika, die damit ihre technische Überlegenheit gegenüber den Japanern behaupten wollen.
Wo immer die beiden Supermächte gegeneinander antreten, werden es Nippons Technologieschmieden es ungemein schwer haben - in Europa, in der Dritten Welt, in den USA. Eine neue Form amerikanischen Industrie-Imperialismus entsteht.
Fortsetzung folgt

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