Ein wesentlicher Grund für den überragenden Erfolg dieses Unternehmens ist aber auch seine multinationale Verfassung, der alle 369.000 Mitarbeiter (Stand: 31.12.1983) weltweit unterworfen sind.
Sorgsam wachen die Manager des Goliaths darüber, dass keiner Mitarbeiter offiziell gegen die Geschäftsgrundsätze verstößt. In diesem hehren Codex sind unter anderem alle nach wie vor gültigen Bestimmungen aus dem Antitrustvergleich von 1956 eingearbeitet, den der Computergiganz damals mit der US-Regierung abgeschlossen hatte. An diesem Vergleich hatte übrigens auch Bundesrichter David N. Edelstein mitgewirkt, der in diesem vier Jahre währenden Verfahren ebenso den Vorsitz führte wie in dem 1982 abgeschlossenen Prozess.
IBM wirbt mit ihren Grundsätzen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Sie möchte damit ihren hohen moralischen Anspruch dokumentieren. Und bei aller Kritik an der praktischen Umsetzung dieser Grundsätze muss man ihr zugestehen, dass sie sich wie kein anderer Multi bemüht, ihre supranationale Verfassung einzuhalten und gegenüber den Mitbewerbern durchzusetzen. Die IBM-Bediensteten in aller Welt sind ihr bedingungslos unterworfen.
So scheut sich der Geschäftsmoralapostel nicht, bei Verstößen gegen die heiligen Gebote spektakuläre Exempel gegen die eigenen Angestellten zu statuieren. Dies zeigt jedenfalls die Degradierung von Cornelius Schulz-Wolfgram, bis 1981 brillanter Vertriebsleiter der IBM Deutschland, der damals bei strikt verbotenen „Kompensationsgeschäften“ ertappt worden sein soll, mit denen er eine Amdahl-Offerte bei Unilever in Hamburg parieren wollte.
Diese Todsünde wider den guten Geschäftsgeist der IBM musste geahndet werden. Es war eine harte Entscheidung, nicht nur gegen „Schuwo“ oder „CSW“, wie der smarte Vertriebschef von seiner Verkaufsmannschaft kurz genannt wurde, sondern auch für die IBM Deutschland, die vom European Headquarter in Paris gedrängt worden war, den allzu offensiven Starverkäufer zu maßregeln.
In dem Schicksal von CSW spiegelt sich der moralische Zwiespalt wider, in den jeder Vertriebsmann der IBM unweigerlich geraten muss. Berichtet ein deutscher Ex-IBMer über seine täglichen Verkaufserfahrungen. „Als Vertriebsbeauftragter lebte man täglich in einem unerträglichen Zielkonflikt. Einerseits ist laut Geschäftsgrundsätze alles verboten, was man wirklich effektvoll im Kampf gegen Wettbewerber einsetzen kann. Andererseits ist der Erfolgsdruck so hoch, das man gar nicht anders kann, als zum Beispiel Konkurrenten zu diskriminieren oder einmal eine Vorankündigung zu wagen.“
Kurt Lingg, Vizedirektor des Schweizer Softwarehauses Systor AG, war in den siebziger Jahren Systems Engineer bei der IBM. Er erinnert sich: „In den Meetings passierte es regelmäßig, dass die Vertriebsbeauftragten eine leidenschaftliche Diskussion über die Antitrustbestimmungen anfingen. Die VBs wollten einfach nicht einsehen, dass ihnen in Gesprächen mit Kunden bestimmte Argumentationsweisen, die den Wettbewerbern erlaubt waren, verwehrt blieben.“
Als besonders unverständlich erschien es den Vertriebsbeauftragten, dass ein Fehlverhalten in der Schweiz Gegenstand der Antitrust-Klage in den USA werden konnte. Lingg: „Bei aller Identifikation mit der IBM - irgendwo sahen wir uns als Schweizer in unserer nationalen Souveränität betroffen.“
IBMs Geschäft blühte derweil im Verborgenen. Hin und her gerissen zwischen den persönlichen Zielen, dem Wohl der Firma sowie der Kunden und den hohen moralischen Ansprüchen der supranationalen Verfassung, machte sich selbst im Topmanagement eine ungesunde Doppelmoral breit, die fatale Folgen haben konnte.
So hatte 1978 im Vorlauf der weltweiten Ankündigung des für Verteilte Datenverarbeitung ausgelegten Computersystems IBM 8100 ein hoher Manager des Multis im Fight gegen einen Wettbewerber bei einem süddeutschen Großunternehmen sich nicht mehr anders zu helfen gewusst als den Rechner in allen damals verfügbaren Details vorab anzukündigen (Preannouncement). Der im Umgang mit dem Marktführer erfahren EDV-Chef trieb nun seinen Schabernack mit dem Starverkäufer. Er schrieb ihm einen Brief, in dem er nicht minder ausführlich die geheimen Inhalte des Vor-Verkaufsgesprächs resümierte. Das Ergebnis: Der IBMer jettete prompt zum Kunden, rückte den Brief , auf dem der Eingangsstempel fehlte, und bat den Anwender flehentlich, das Schreiben als nicht geschrieben betrachten zu dürfen. Der EDV-Chef lachte wohlwollend, nahm seinen Brief zurück – und gab dem Wettbewerber den Auftrag.
Doch in der Regel funktioniert der Geheimdienst am Kunden bestens. Noch so vage Andeutungen der Vertriebsbeauftragten über künftige Produkte verunsichern die Anwender zumeist so sehr, dass sie selbst nicht mehr fremdzugehen wagen – oder nur mit sehr starken Gewissensbissen. „Noch nie hat jemand einen Job verloren. Weil er sich für IBM entschieden hat“, meint Barry Smith, Marketing-Manager bei Apple-Computers, IBMs größtem Herausforderer im Markt der Personal Computer.
Stöhnte 1980 Michael E. Zioutas, damals Vertriebsleiter des IBM-Wettbewerbers Amdahl: „Ich habe alle Argumente auf meiner Seite. Im Gespräch mit den Kunden gelingt es mir stets, alle rationalen Bedenken aus dem Weg zu räumen – nur nicht die irrationalen.“ Und Jürgen P. Schoon, für den DB/DC-Bereich der ADV/ORGA F.A. Meyer AG verantwortlicher Manager, dessen Mannschaft in Deutschland gegen IBMs IMS-Datenbanksystem das von dem amerikanischen Softwarehaus Cullinet entwickelte IDMS rund 100mal installierte: „Es gibt keine sachlich begründeten Vorbehalte gegenüber unserem Produkt. Ich höre immer nur strategische Drohungen, an denen zumeist nichts dran ist, die aber dann so wirkungsvoll unters Volk gebracht werden, dass sich unsere EDV-Chefs sogar gegen den Rat ihrer eigenen Experten für IMS entscheiden.“
Mit dem Kürzel FUD (Fear , Uncertainty und Doubt) – so berichtet Gene Amdahl, der prominenteste aller Ex-IBMer – hatte der Gigant intern selbst diese Strategie der permanenten Verunsicherung der Kunden gekennzeichnet.
„Hochnasenstrategie“ nennt dies Nixdorf-Manager Gerd Wagner. Der Ex-IBMer ist Gründer und Chef der rund 450 Mann starken Nixdorf-Division Compatible Informations Systeme (CIS) in München, die nach zweijähriger intensiver Vorbereitung 1980 in das Geschäft mit hochkompatoblen DOS-Maschinen eingetreten war und bis April 1980 über 400 System vom Typ 8890 verkauft hat. „Mit der Floskel ‚Ob-Die-Das-Wohl-Können’ haben die IBMer immer wieder versucht, Zweifel bei den Anwendern zu säen.“
Sorgsam wachen die Manager des Goliaths darüber, dass keiner Mitarbeiter offiziell gegen die Geschäftsgrundsätze verstößt. In diesem hehren Codex sind unter anderem alle nach wie vor gültigen Bestimmungen aus dem Antitrustvergleich von 1956 eingearbeitet, den der Computergiganz damals mit der US-Regierung abgeschlossen hatte. An diesem Vergleich hatte übrigens auch Bundesrichter David N. Edelstein mitgewirkt, der in diesem vier Jahre währenden Verfahren ebenso den Vorsitz führte wie in dem 1982 abgeschlossenen Prozess.
IBM wirbt mit ihren Grundsätzen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Sie möchte damit ihren hohen moralischen Anspruch dokumentieren. Und bei aller Kritik an der praktischen Umsetzung dieser Grundsätze muss man ihr zugestehen, dass sie sich wie kein anderer Multi bemüht, ihre supranationale Verfassung einzuhalten und gegenüber den Mitbewerbern durchzusetzen. Die IBM-Bediensteten in aller Welt sind ihr bedingungslos unterworfen.
So scheut sich der Geschäftsmoralapostel nicht, bei Verstößen gegen die heiligen Gebote spektakuläre Exempel gegen die eigenen Angestellten zu statuieren. Dies zeigt jedenfalls die Degradierung von Cornelius Schulz-Wolfgram, bis 1981 brillanter Vertriebsleiter der IBM Deutschland, der damals bei strikt verbotenen „Kompensationsgeschäften“ ertappt worden sein soll, mit denen er eine Amdahl-Offerte bei Unilever in Hamburg parieren wollte.
Diese Todsünde wider den guten Geschäftsgeist der IBM musste geahndet werden. Es war eine harte Entscheidung, nicht nur gegen „Schuwo“ oder „CSW“, wie der smarte Vertriebschef von seiner Verkaufsmannschaft kurz genannt wurde, sondern auch für die IBM Deutschland, die vom European Headquarter in Paris gedrängt worden war, den allzu offensiven Starverkäufer zu maßregeln.
In dem Schicksal von CSW spiegelt sich der moralische Zwiespalt wider, in den jeder Vertriebsmann der IBM unweigerlich geraten muss. Berichtet ein deutscher Ex-IBMer über seine täglichen Verkaufserfahrungen. „Als Vertriebsbeauftragter lebte man täglich in einem unerträglichen Zielkonflikt. Einerseits ist laut Geschäftsgrundsätze alles verboten, was man wirklich effektvoll im Kampf gegen Wettbewerber einsetzen kann. Andererseits ist der Erfolgsdruck so hoch, das man gar nicht anders kann, als zum Beispiel Konkurrenten zu diskriminieren oder einmal eine Vorankündigung zu wagen.“
Kurt Lingg, Vizedirektor des Schweizer Softwarehauses Systor AG, war in den siebziger Jahren Systems Engineer bei der IBM. Er erinnert sich: „In den Meetings passierte es regelmäßig, dass die Vertriebsbeauftragten eine leidenschaftliche Diskussion über die Antitrustbestimmungen anfingen. Die VBs wollten einfach nicht einsehen, dass ihnen in Gesprächen mit Kunden bestimmte Argumentationsweisen, die den Wettbewerbern erlaubt waren, verwehrt blieben.“
Als besonders unverständlich erschien es den Vertriebsbeauftragten, dass ein Fehlverhalten in der Schweiz Gegenstand der Antitrust-Klage in den USA werden konnte. Lingg: „Bei aller Identifikation mit der IBM - irgendwo sahen wir uns als Schweizer in unserer nationalen Souveränität betroffen.“
IBMs Geschäft blühte derweil im Verborgenen. Hin und her gerissen zwischen den persönlichen Zielen, dem Wohl der Firma sowie der Kunden und den hohen moralischen Ansprüchen der supranationalen Verfassung, machte sich selbst im Topmanagement eine ungesunde Doppelmoral breit, die fatale Folgen haben konnte.
So hatte 1978 im Vorlauf der weltweiten Ankündigung des für Verteilte Datenverarbeitung ausgelegten Computersystems IBM 8100 ein hoher Manager des Multis im Fight gegen einen Wettbewerber bei einem süddeutschen Großunternehmen sich nicht mehr anders zu helfen gewusst als den Rechner in allen damals verfügbaren Details vorab anzukündigen (Preannouncement). Der im Umgang mit dem Marktführer erfahren EDV-Chef trieb nun seinen Schabernack mit dem Starverkäufer. Er schrieb ihm einen Brief, in dem er nicht minder ausführlich die geheimen Inhalte des Vor-Verkaufsgesprächs resümierte. Das Ergebnis: Der IBMer jettete prompt zum Kunden, rückte den Brief , auf dem der Eingangsstempel fehlte, und bat den Anwender flehentlich, das Schreiben als nicht geschrieben betrachten zu dürfen. Der EDV-Chef lachte wohlwollend, nahm seinen Brief zurück – und gab dem Wettbewerber den Auftrag.
Doch in der Regel funktioniert der Geheimdienst am Kunden bestens. Noch so vage Andeutungen der Vertriebsbeauftragten über künftige Produkte verunsichern die Anwender zumeist so sehr, dass sie selbst nicht mehr fremdzugehen wagen – oder nur mit sehr starken Gewissensbissen. „Noch nie hat jemand einen Job verloren. Weil er sich für IBM entschieden hat“, meint Barry Smith, Marketing-Manager bei Apple-Computers, IBMs größtem Herausforderer im Markt der Personal Computer.
Stöhnte 1980 Michael E. Zioutas, damals Vertriebsleiter des IBM-Wettbewerbers Amdahl: „Ich habe alle Argumente auf meiner Seite. Im Gespräch mit den Kunden gelingt es mir stets, alle rationalen Bedenken aus dem Weg zu räumen – nur nicht die irrationalen.“ Und Jürgen P. Schoon, für den DB/DC-Bereich der ADV/ORGA F.A. Meyer AG verantwortlicher Manager, dessen Mannschaft in Deutschland gegen IBMs IMS-Datenbanksystem das von dem amerikanischen Softwarehaus Cullinet entwickelte IDMS rund 100mal installierte: „Es gibt keine sachlich begründeten Vorbehalte gegenüber unserem Produkt. Ich höre immer nur strategische Drohungen, an denen zumeist nichts dran ist, die aber dann so wirkungsvoll unters Volk gebracht werden, dass sich unsere EDV-Chefs sogar gegen den Rat ihrer eigenen Experten für IMS entscheiden.“
Mit dem Kürzel FUD (Fear , Uncertainty und Doubt) – so berichtet Gene Amdahl, der prominenteste aller Ex-IBMer – hatte der Gigant intern selbst diese Strategie der permanenten Verunsicherung der Kunden gekennzeichnet.
„Hochnasenstrategie“ nennt dies Nixdorf-Manager Gerd Wagner. Der Ex-IBMer ist Gründer und Chef der rund 450 Mann starken Nixdorf-Division Compatible Informations Systeme (CIS) in München, die nach zweijähriger intensiver Vorbereitung 1980 in das Geschäft mit hochkompatoblen DOS-Maschinen eingetreten war und bis April 1980 über 400 System vom Typ 8890 verkauft hat. „Mit der Floskel ‚Ob-Die-Das-Wohl-Können’ haben die IBMer immer wieder versucht, Zweifel bei den Anwendern zu säen.“
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