Dennoch: Auch die Guerilla-Taktik der Vertriebsbeauftragten konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die US-Regierung über ein Jahrzehnt hinweg den Riesen in seinem gewaltigen Expansionsdrang eingedämmt und seine Aggressionslust weitgehend geebremst hatte.
Die Angst vor der Zerschlagung lähmte den Riesen zumindest bis 1979. Die Kartellwächter hatten ihm den Schneid abgekauft und somit - ohne Urteil - vieles von dem erreicht, was sie erreichen wollten: Sie hatten den wilden Riesen domestiziert.
Als Dompteur spielte sich in den siebziger Jahren aber nicht nur die US-Regierung auf, sondern auch eine kleine Schar von Wettbewerbern. Ermutigt durch die Regierungsinitiative und durch Anfangserfolge zogen immer mehr IBM-Kontrahenten gegen Big Blue vors Gericht und dabei meist den kürzeren. Insgesamt gewann IBM 16 Prozesse. Gleichwohl trug dies dazu bei, IBM in ihrem Expansionsdrang auszubremsen.
Im Herbst 1973 hatte die Telex Corporation, IBM-kompatibler Peripheriehersteller, gegen ihren übermächtigen Wettbewerber das erste Verfahren in erster Instanz gewonnen. IBM, der Verletzung des Wettbewerbsrechts vorgeworfen worden war, wurde zur Zahlung von 295,5 Millionen Dollar verurteilt. Das Vor-Urteil machte mutig. Innerhalb der nächsten 13 Monate strengte mehr als ein Dutzend anderer Wettbewerber ebenfalls ein Verfahren gegen den Marktführer an. Doch 1975 erlebten sie dann ihr blaues Wunder. Ein Bundesgericht in Denver verwarf das Telex-Urteil. Alsbald wurden weitere Verfahren abgeschmettert.
1977 gewann IBM ein gegen sie von California Computer Products Inc. (Calcomp) angestrengtes Verfahren, bei dem immerhon 309 Millionen Dollar Schadensersatz zur Diskussion standen.
1978 sah sich Memorex (gehört heute zu Burroughs) mit einer 908-Millionen-Dollar-Klage abgewiesen.
1979 musste auch die Transamerica Computer Co., heute Transamerica Equipment Leasing, eine Abfuhr hinnehmen. Sie hatte 261 Millionen Dollar Schadenersatz von IBM gefordert.
Doch das Verfahren wurde von Bundesrichter Robert H. Schnacke in San Francisco niedergeschlagen. Sein Kommentar: "Es wäre eine unkluge Gesetzespolitik, Wettbewerber zu verhätscheln, vor allem dann, wenn der Schutz nur dazu dienen soll, die Wettbewerbsanstrengungen eines größeren Unternehmens zu zerstören. Gerade jene Firmen, die beschlossen haben, einen beherrschten Markt zu betreten, müssen nach Lage der Dinge darauf vorbereitet sein, dem Wettbewerb zu begegnen." Zu den von Transamerica erhobenen Vorwürfen, meinte der Richter: "Selbst wenn man annimmt, dass IBM eine Monopolstellung in den relevanten Märkten besitzt, bedeuten ihre Mietstrategien, Designänderungen und Preispolitik noch keine unerlaubten Restriktionen für den Wettbewerber."
Auch Frank T. Cary, IBMs Chairman zu jener Zeit, blies voll Zorn ins selbe Horn. "Dies ist eine innovative und hochgradig wettbewerbsorientierte Branche. Wer etwas anderes annimmt, sieht der Wirklichkeit nicht ins Auge." Doch das alles wollte Transamerica nicht einsehen. Die Gesellschaft zog vor den Obersten Gerichtshof, um sich dort Gehör zu verschaffen. Aber auch hier wurde die Klage im Oktober 1983 ohne Kommentar abgewiesen.
Die einzige Firma, die jemals im großen Stil gegen IBM vor Gericht gezogen war, ist die Control Data Corporation (CDC). Nach fünf Jahren Vorbereitung verdonnerte sie im Januar 1973 den Computerriesen in einem spektakulären Vergleich zur Zahlung von 250 Millionen Dollar. Außerdem verpflichtete sich IBM, sich in den USA aus dem Geschäft mit den Service-Rechenzentren zurück zu ziehen. Dauer des Stillhalteabkommens: zehn Jahre. CDC hatte in mühsamer Kleinarbeit eine Fülle von belastendem Material gegen IBM zusammengetragen, das im Januar 1973 in einer Nacht-Und-Nebel-Aktion von den beiden Prozessgegnern gemeinschaftlich vernichtet wurde. Während IBM sonst immer in aller Breite in ihren Geschäftsberichten auf die diversen Antitrust-Klagen einging, hatte sie in ihrem "Annual Report '73" nur ein paar dürre Worte für diesen Vergleidch übrig.
Obwohl die anderen Wettbewerber niemals diesen Erfolg wiederholen konnten, gaben sie nicht auf. Sie wechselten nur den Schauplatz: von den USA nach Europa. Hier unterstützten drei US-Wettbewerber, die IBM-kompatoblen Anbieter Amdahl, Itel und Memorex die EG-Kommission rat- und tatkräftig bei der Vorbereitung einer Verwaltungsklage gegen den Riesen wegen Mißbrauch von Marktmacht, die 1980 erhoben worden war und nach zähen Verhandlungen am 2. August 1984 mit einem Kompromiss endete. Die EG-Kommission muss sich dabei vorwerfen lassen, sich zum Spielball amerikanischer Werrbewerber gemacht zu haben.
Genua dieses Engagement außereuropäischer Anbieter erbbiterte IBM. Meinte John F. Akers, seit Februar 1983 Präsident des Multis, kurz vor der Beilegung des Verfahrens: "Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass nicht ein einziger Benutzer in der Europäischen Gemeinschaft geklagt hat, nicht ein einziger Wettbewerber in der EG hat geklagt." Es waren durchweg amerikanische Firmen, die - wie Memorex - bereits gegen IBM vor Gericht verloren hatten.
Doch auf fremde Hilfe waren die EG-Kläger angewiesen. 1972 hatten die europäischen Kartellwächter damit begonnen, gegen IBM belastendes Material zu sammeln. Kunden und Wettbewerber des Masrktführers wurden angeschrieben. DIe IBM selbst wurde um die Herausgabe diverser Akten gebeten. Trotzdem sahen sich die Antitrust-Schnüffler lange Zeit auf verlorenem Posten. Meinte damals ein Gemeinschaftsdiener gegenüber dem deutschen Geschäftsführer einer kleinen Anti-IBM-Firma, von der er Stoff für seine Prozess-Träume erhoffte: "Wass sollen unsere drei Mann schon gegen die drei Großbuchstaben ausrichten?"
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